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Aus Geschichts-Wiki

Herzlich Willkommen im Geschichts-Wiki des Paritätischen in Bayern!

Über ein Jahr lang hat der Paritätische in Bayern seine 100-jährige Geschichte von externen Historiker*innen der Agentur Neumann & Kamp Historische Projekte erforschen lassen. Sie haben Archive aufgesucht, historische Dokumente und Fachliteratur gesichtet und mit vielen Zeitzeug*innen gesprochen. Dieses Wiki ist das Ergebnis des Projekts.

Auf dieser Seite finden Sie eine chronologische Zusammenfassung der 100-jährigen Geschichte des Verbands. Die blau hervorgehobenen Links im Text führen zu thematischen Schwerpunktseiten. Hier können Sie mehr über verschiedene Aspekte der Verbandsgeschichte erfahren: Wie sind bestimmte Schwerpunkte der Verbandsarbeit entstanden? Was musste passieren, damit sich der Verband zu dem entwickeln konnte, was er heute ist? Die Schwerpunktseiten geben jeweils Einblick in einen prägenden Abschnitt in der Geschichte des Paritätischen in Bayern.

Unterhalb der chronologischen Darstellung finden Sie eine Personengalerie, die unterschiedliche Menschen aus der 100-jährigen Geschichte des Verbands vorstellt. Die Porträts zeigen, wie vielfältig die Wege sind, die zum Paritätischen in Bayern führen.

Alle Seiten des Wikis sind an passenden Stellen miteinander verlinkt. Folgen Sie Ihrer Neugier und stöbern Sie durch die Verbandsgeschichte! Der Paritätische in Bayern wünscht Ihnen eine interessante Lektüre.

Meilensteine der Geschichte des Paritätischen in Bayern

Vor der Verbandsgründung: Frauen engagieren sich gegen die herrschende Not

Der Münchner Verein für öffentliche Speisehallen ist eine der ersten Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern. Er bietet in der Weimarer Republik warme Mahlzeiten für Bedürftige an.

Keimzelle des Paritätischen in Bayern ist die bürgerliche Frauenbewegung. Wohlhabende Frauen schließen sich zur Zeit des deutschen Kaiserreichs zusammen, um Bildungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen zu schaffen. In diesem Kontext entsteht in München der Verein für Fraueninteressen. Er setzt sich dafür ein, dass Mädchen und Frauen zukünftig die gleichen Bildungschancen erhalten wie Jungen und Männer. Durch Vorträge, Bildungsangebote und soziale Projekte unterstützt der Verein Frauen dabei, unabhängig zu werden und sich gesellschaftlich zu engagieren.

Eine dieser Frauen ist Luise Kiesselbach. Nach dem frühen Tod ihres Mannes findet Luise Kiesselbach in sozialer Arbeit eine neue Lebensaufgabe. 1912 wird sie Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen in München. Sie setzt sich unermüdlich für soziale Initiativen ein. Das ist bald wichtiger denn je, denn der Erste Weltkrieg und die Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre bringen viele Menschen in eine prekäre Lebenssituation.

Zu Beginn der 1920er Jahre ist die Fürsorge durch verschiedene Gesetze, die in den vorangegangenen Jahren überstürzt erlassen wurden, unübersichtlich organisiert. Doch viele Menschen brauchen Hilfe. Bald kommt es daher zu einer Reorganisation des Fürsorgewesens. Ein wesentlicher Baustein der Reformen ist die Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht, die am 13. Februar 1924 beschlossen wird. Dieses und andere neue Gesetze stärken die freie Wohlfahrtspflege. Ihre Spitzenverbände bekommen jetzt finanzielle Zuschüsse, die sie an ihre Mitgliedsorganisationen verteilen können. Problem hierbei: Wer keinem Dachverband angehört, geht leer aus. Davon sind vor allem die politisch und kirchlich unabhängigen Einrichtungen und Vereine bedroht. Luise Kiesselbach hat das Problem frühzeitig erkannt: Schon 1922 hat sie eine „Arbeitsgemeinschaft paritätischer Wohlfahrtsanstalten, Einrichtungen und Vereine“ im Stadtbund Münchner Frauenvereine gegründet, um die unabhängige Wohlfahrtspflege in München zu stärken.

1924: Der Paritätische in Bayern entsteht

„Altersnot und Altersfürsorge“ wird zum ersten Schwerpunktthema der Verbandsarbeit. Luise Kiesselbach setzt sich auch dafür ein, dass es reichsweit Aufmerksamkeit bekommt.

Vom 11. bis 14. Juni 1924 veranstaltet der Hauptverband Bayerischer Frauenvereine seinen 10. Bayerischen Frauentag in München. Vorsitzende des Hauptverbands ist zu dieser Zeit Luise Kiesselbach. Bei der Tagung wird beschlossen, einen „Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern“ zu gründen. Er steht nicht nur Frauenvereinen offen. Alle paritätisch arbeitenden Organisationen und Einrichtungen sind dazu eingeladen, Teil des neuen Verbands zu werden. Dafür wirbt Luise Kiesselbach in den folgenden Monaten. Sie wird in dieser Zeit zu einer Zentralgestalt des Paritätischen in Bayern und auch dessen erste Vorsitzende.

Altersarmut ist ein auch in den 1920er Jahren bereits oft übersehenes Problemfeld. Von ihr sind alleinstehende Frauen aus der Mittelschicht besonders oft betroffen. Der Paritätische in Bayern beginnt, darauf aufmerksam zu machen, die Bekämpfung der „Altersnot“ wird bald zum ersten Arbeitsschwerpunkt des Verbands.

Für Luise Kiesselbach ist es wichtig, dass die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen auf einer vom Gedanken der „paritas“, der Gleichheit und Gleichwertigkeit, getragenen Haltung zusammenarbeiteten. Sozialpolitisch setzt sie sich dafür ein, Armut zu bekämpfen, um die soziale Lebenslage der Menschen zu verbessern. Ebenso soll dieser Gedanke sich im Tätigkeitsprofil des Verbands widerspiegeln: Die soziale Hilfe, die der Verband mit seinen Mitgliedern leisten will, ist dem Leitbild verpflichtet, dass jeder Mensch gleichwertig ist und auch entsprechend behandelt werden muss.

Am 27. Januar 1929 stirbt Luise Kiesselbach unerwartet. Den Verbandsvorsitz übernimmt daraufhin der bekannte Rechtsanwalt Dr. Christoph Schramm.

Auflösung des Verbands in der Zeit des Nationalsozialismus

Am 23. Juni 1934 beschließt der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, zu dem der Paritätische in Bayern gehört, offiziell seine Auflösung. Das ist zu diesem Zeitpunkt nur noch Formsache. Die Übernahme durch die NSV steht schon seit Monaten fest.

Zu Beginn der 1930er Jahre bestimmt die Weltwirtschaftskrise das Leben der Menschen. Die freien Wohlfahrtsverbände leiden darunter, dass sie keine Kredite und öffentlichen Zuschüsse mehr bekommen. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen auf Unterstützung angewiesen. 1932 legt Christoph Schramm nach knapp drei Jahren den Verbandsvorsitz nieder. Sein Nachfolger wird Oberst a. D. Albrecht Freiherr von Pechmann, der auf eine lange Militärkarriere zurückblicken kann. Wie genau es zu dieser Wahl kommt, wird sich später nicht mehr rekonstruieren lassen. Eine Verbindung zur paritätischen Wohlfahrtspflege hat er, den vorhandenen Quellen nach zu schließen, nicht.

Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Umgestaltung des Landes nach nationalsozialistischen Prinzipien nimmt Fahrt auf. Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten bricht auch für die deutsche Wohlfahrtspflege eine neue Zeit an. Am 29. April 1933 beschließt der reichsweite Dachverband des Paritätischen in Bayern, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband in Berlin, dass der Verband „seine paritätische Wohlfahrtsarbeit im Sinne der nationalen Erhebung weiter verfolgen soll“, also im Sinne des Nationalsozialismus. Der Vorsitzende des Gesamtverbands, der jüdische Kinderarzt Leo Langstein, tritt daraufhin zurück. Sein Nachfolger wird der bayerische Landesvorsitzende Albrecht von Pechmann.

Wenige Monate später steht fest, dass der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband im Zuge der Gleichschaltung mitsamt aller seiner Landesverbände von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) übernommen wird. Die Landesverbände bekommen die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedsorganisationen sich ruhig verhalten und die Entwicklung hinnehmen. Widerstand gegen die Gleichschaltungspolitik ist nicht bekannt.

Der Paritätische in Bayern fordert seine Mitgliedsorganisationen im Zuge dieser Bestrebungen dazu auf, alle „Mitarbeiter nicht-arischer Abstammung in bevorzugten Stellungen“ zu entlassen. Einige Menschen und Organisationen, die bisher im Rahmen des Paritätischen in Bayern soziale Arbeit geleistet haben, müssen diese jetzt aufgeben: Jüdinnen und Juden werden gezielt aus dem Verband gedrängt, Selbsthilfestrukturen bald zerschlagen.

Im Herbst 1933 bekommt der Paritätische reichsweit eine neue Satzung. Er ist jetzt offiziell Teil der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und streng hierarchisch organisiert. Wer Mitglied werden möchte, muss nachweisen, dass er „nur im Sinne der national-sozialistischen Weltanschauung arbeiten wird.“

Am 30. Mai 1934 wird die endgültige Auflösung des Paritätischen angeordnet. Viele seiner Mitgliedsorganisationen bestehen unter dem Dach der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt weiter, andere werden aufgelöst.

Wiedergründung nach 1945

Durch die Arbeit in den Flüchtlingslagern der Nachkriegszeit entstehen langfristig neue Einrichtungen, wie zum Beispiel die Münchner Mütterschule.

Der Verein für Fraueninteressen übersteht die Zeit des Nationalsozialismus, wenngleich er seine Einrichtungen an die NSV verliert. So kann der Paritätische in Bayern direkt nach dem Zweiten Weltkrieg reaktiviert werden. Am 30. Juli 1948 kann der Paritätische in Bayern offiziell wiedergegründet werden. Er hat zu Beginn 20 Mitgliedsorganisationen und wird von der US-amerikanischen Militärregierung unterstützt. Bis in die 1950er Jahre kümmert sich der Verband vor allem um die Behebung der unmittelbaren Nachkriegsfolgen und die Versorgung von Flüchtlingen und Vertriebenen. Auch die Linderung der „Jugendnot“ wird jetzt zu einem wichtigen Themenfeld für den Paritätischen in Bayern.

Der Verband öffnet sich neuen Themenfeldern

Altes Logo, neue Ausrichtung: Der Verband bemüht sich in den 1970er Jahren stärker denn je, freiwilliges Engagement und Selbsthilfe zu fördern.

Nachdem die unmittelbare Nachkriegsnot überstanden ist, beginnt für den Paritätischen in Bayern eine Zeit des Wachstums. Immer mehr Menschen, die besondere Lebenssituationen teilen, schließen sich zusammen, um sich gemeinsam für ihre Interessen einzusetzen. Den Anfang machen Eltern von Kindern mit Behinderungen. Ab den 1950er Jahren schließen sie sich vermehrt zusammen. 1958 entsteht so zum Beispiel der Verein zur Förderung spastisch gelähmter Kinder in Augsburg, der bald Mitglied im Paritätischen in Bayern wird. Das ist etwas Besonderes, denn seitdem der Nationalsozialismus das Prinzip der Selbsthilfe systematisch bekämpft hat, gibt es sie auch im Paritätischen in Bayern nicht mehr. Das wird sich bald vollkommen ändern, als im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen eine neue Selbsthilfebewegung entsteht.

1964 wird Bernhard Uffrecht Geschäftsführer des Paritätischen in Bayern. Er wird den Verband über viele Jahre prägen. Mit ihm findet der Paritätische in Bayern bald mehr und mehr zu seinem ganz eigenen Profil. Der Paritätische in Bayern eröffnet Sozialstationen, die ambulante Pflege anbieten, und startet das Projekt Essen auf Rädern. Dieses Modell, das Mahlzeiten an Menschen liefert, die sich nicht selbst versorgen können, wird bald auf viele Städte in Bayern ausgeweitet. Bernhard Uffrecht setzt sich persönlich sehr für den Auf- und Ausbau neuer ambulanter Angebote ein. Besonders am Herzen liegt ihm die Förderung sogenannter Nachbarschaftshilfen. Bis 1977 werden in Bayern 44 Nachbarschaftshilfen entstehen, die über 120.000 Stunden nachbarschaftliche Hilfe im Jahr leisten. Die Hilfe zur Selbsthilfe wird wieder zu einem leitenden Prinzip des Paritätischen in Bayern.

Soziale Arbeit jenseits traditioneller Strukturen

Ab 1975 hat der Paritätische in Bayern ein neues Verwaltungsgebäude in München. Von hier wird unter anderem Essen auf Rädern ausgeliefert.

Der Paritätische in Bayern öffnet sich jetzt besonders für Zusammenschlüsse von marginalisierten Menschen, die von der staatlichen Sozialpolitik im traditionell geprägten Bayern kaum beachtet werden. Die Unterstützung der sogenannten Behindertenbewegung, die sich aus den Initiativen für Kinder mit Beeinträchtigungen entwickelt hat, ist nur der Anfang.

In den 1970er Jahren hält die Neue Frauenbewegung Einzug in den Paritätischen in Bayern. Frauenhäuser werden gegründet, um Frauen Schutz vor Gewalt zu bieten. Dabei unterstützt der Verband auch autonome Frauenhäuser, obwohl sie ansonsten in Politik und Gesellschaft auf großen Widerstand stoßen.

Zur selben Zeit entstehen als Antwort auf fehlende Betreuungsangebote Elterninitiativen, die alternative Formen der Kinderbetreuung ausprobieren und selbst organisieren. Auch das ermöglicht es vielen Frauen, ein selbstbestimmteres Leben zu führen, das nicht allein durch ihre Rolle als Mutter geprägt ist. Ab 1980 gibt es eine eigene Fachreferentin für Frauen und Familie im Paritätischen in Bayern. Der Verband fördert vielfältige Projekte von und für Frauen und Familien und unterstützt ihre politischen Forderungen.

Ende der 1970er Jahre macht der Paritätische in Bayern seine ersten Erfahrungen mit der Betreuung sogenannter Ausländer: Er übernimmt die Trägerschaft einer Einrichtung für Geflüchtete aus Vietnam. Auch das führt zur Einrichtung eines neuen Fachreferats im Verband.

„Auf die Gleichheit aller bedacht sein“: 1989 bekommt der Paritätische neue Verbandsgrundsätze. Bald folgt auch ein neues Logo.

In den 1980er Jahren findet die Schwulenbewegung ihren Weg in den Paritätischen in Bayern. Explizite Organisationen von und für Homosexuelle hat der Verband zuvor lange nicht aufnehmen wollen. Die ab Mitte der 1980er entstehenden Aids-Hilfen kümmern sich um alle von der Krankheit betroffenen Menschen, darunter Homosexuelle, aber auch Drogenabhängige und Prostituierte. Das eröffnet ihnen den Weg in den Paritätischen in Bayern und ermöglicht es, dass sich der Verband langfristig auch für explizite LGBTIQ-Organisationen öffnet.

Durch die Unterstützung neuer sozialer Bewegungen und die Förderung der Selbsthilfe entwickelt sich der Paritätische in Bayern in dieser Zeit zu einem Verband, der auf neue Weise Vielfalt und gesellschaftliches Engagement fördert. Dazu gehört auch, dass der Paritätische in Bayern zu einem wichtigen Unterstützer des Freiwilligen Sozialen Jahres wird.

In den folgenden Jahren durchläuft der Paritätische in Bayern Veränderungen und Anpassungen, die durch interne Herausforderungen und gesellschaftliche Entwicklungen herbeigeführt werden. Ein Wendepunkt ist der Ruhestand von Geschäftsführer Bernhard Uffrecht 1988. Mit ihm verlässt eine Person den Verband, die ihn jahrelang geprägt und ihm nach innen und außen Profil verliehen hat.

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung unterstützt der Paritätische in Bayern engagierte Menschen dabei, in Sachsen einen eigenen Landesverband des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands aufzubauen.

Gleichstellungspolitische Ausrichtung im Verband

Seit der Gründung des Verbands in den 1920er Jahren haben Frauen im Paritätischen in Bayern entscheidende Arbeit geleistet. Nach Luise Kiesselbach gab es jedoch in der jüngsten Vergangenheit keine Frau mehr an der Spitze des Verbands. Mit der Einsetzung einer Referentin für Frauen und Familie hat deshalb eine systematische Untersuchung der Geschlechterverhältnisse im Paritätischen in Bayern begonnen, die 1994 in einer ausführlichen Studie veröffentlicht wird. Diese Studie zeigt gravierende Ungleichheiten. Die Ergebnisse der Studie führen zu konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit im Verband. Der Paritätische in Bayern setzt das Konzept des Gender Mainstreamings um. Durch diese Strategie wird Geschlechtergerechtigkeit bald bei allen Entscheidungen und Maßnahmen des Verbands berücksichtigt. Ab 2010 wird es eine Doppelspitze geben, bestehend aus einer Frau und einem Mann im Vorstand.

Neue Verbandsstrukturen in den 2000er Jahren

In den 1990er Jahren durchläuft der Verband zugleich eine finanzielle und strukturelle Krise. Er ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen und muss seine Strukturen dringend diesen neuen Umständen anpassen. Umfassende Umstrukturierungen können den Paritätischen in Bayern stabilisieren. Der Verband führt ein strenges Finanzcontrolling ein und wandelt eigene Einrichtungen in GmbHs um. Ab den 2000er Jahren trägt ein hauptamtlicher Vorstand die operative Verantwortung für den Verband: Je ein Vorstand für Verbands- und Sozialpolitik sowie Wirtschaft und Finanzen fungieren gleichberechtigt als Doppelspitze. Kontrolliert werden die beiden Vorstände von einem ehrenamtlichen Verbandsrat.

Im Lauf der 2000er Jahre kann der Verband, neben seiner gestärkten Position als Anbieter sozialer Dienstleistungen, auch wieder stärker sozialpolitisch wirken. Das Thema der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die Inklusion von Menschen mit Behinderungen werden in neuer Weise zu einem Schwerpunkt der Verbandsarbeit. Die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention 2006 ist ein wichtiger behindertenpolitischer Meilenstein. Der Paritätische in Bayern engagiert sich jetzt in neuem Maß in der Eingliederungshilfe. Die große Verbandskrise ist überwunden, die Arbeit kann mit vollem Elan weitergeführt werden.

2010er Jahre bis heute: Toleranz, Offenheit und Vielfalt

Der Paritätische in Bayern stellt sich verstärkt neuen Herausforderungen, zum Beispiel dem Klimaschutz.

In den 2010er Jahren kommen gesellschaftliche Herausforderungen auf: Als ab 2014 immer mehr Geflüchtete auf der Suche nach Sicherheit nach Bayern kommen, packen der Paritätische in Bayern und seine Mitgliedsorganisationen entschlossen mit an. Paritätische Träger richten Bayerns erste Flüchtlingsunterkunft für Frauen mit und ohne Kinder ein. Hier sollen sie einen sicheren Ort finden, der ihnen Stabilität gibt und an dem sie Vertrauen fassen können.

Angetrieben durch die Klimaschutzbewegung beginnt der Verband jetzt außerdem, ökologische Nachhaltigkeit als Teil seiner sozialen Verantwortung zu verstehen. Die Verbindung von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit steht dabei im Mittelpunkt. Die Forderung nach einer sozialökologischen Transformation wird zu einem neuen Schwerpunkt der Verbandsarbeit.

Auch in den etablierten Arbeitsschwerpunkten des Verbands steht die Entwicklung nicht still. Aus der Unterstützung für queere Menschen folgt, dass das Referat Frauen 2021 um die Themen Gleichstellung und LGBTIQ erweitert wird.

Zu Beginn der 2020er Jahre stehen die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern vor großen Herausforderungen: Der massive Arbeits- und Fachkräftemangel, durch den Träger ihre Angebote teilweise einschränken oder ganz einstellen müssen, gefährdet die Verlässlichkeit der sozialen Daseinsvorsorge und verunsichert Teile der Bevölkerung. Die daraus resultierenden quantitativen wie qualitativen Lücken, wenn zum Beispiel Kita- oder Pflegeplätze fehlen, sind für die Gesellschaft spürbar. Der Paritätische in Bayern sieht es damals wie heute als seine Verantwortung, sich für optimale Rahmenbedingungen für seine Mitglieder einzusetzen. Er wird als Verband auch in Zukunft gegenüber Politik und Gesellschaft aufzeigen, dass die Finanzierung einer verlässlichen sozialen Daseinsvorsorge auch eine Investition in eine stabile Demokratie ist.

Menschen aus 100 Jahren Verbandsgeschichte

Die Themenseiten im Überblick

Altenhilfe, „Dem Alter zum Schutze, der Jugend zu Nutze“: Das erste Projekt des Paritätischen in Bayern
Auflösung, Vom Paritätischen Wohlfahrtsverband zur Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt
Behinderung, Für ein selbstbestimmtes Leben: Menschen mit Behinderungen verändern den Paritätischen in Bayern
DDR, Aufbau Ost: Der Paritätische in Sachsen entsteht – mit Unterstützung aus Bayern
Elterninitiativen, Eltern ergreifen die Initiative: Neue Formen der Kinderbetreuung erobern den Paritätischen in Bayern
Entstehung, Ein Netzwerk engagierter Frauen: Der Verein für Fraueninteressen und das Umfeld des Paritätischen in Bayern
Frauenbewegung, Schutzräume statt Vanillepudding: Die Neue Frauenbewegung im Paritätischen in Bayern
Freiwillige, Ein besonderes Nachwuchsprogramm: Das Freiwillige Soziale Jahr im Paritätischen in Bayern
Geflüchtete, Der Paritätische in Bayern in der „Flüchtlingskrise“
Gleichstellung, „Vom frauenbewegten Sozialverband zum männergeführten Frauenbetrieb“? Die Debatte um Gleichstellung im Paritätischen in Bayern
Gründung, Raus aus dem „Mauerblümchendasein“: Die Gründung des Paritätischen in Bayern
Jugend, „Jugendnot“ und Heimerziehung im Paritätischen in Bayern
Klimaschutz, Ein neuer Schwerpunkt: Gemeinsam gegen die Klimakrise
LGBTIQ, Ein steiniger Weg zur Akzeptanz: Queerer Aktivismus im Paritätischen in Bayern
Nachbarschaftshilfen, „Nachbarn helfen sich selbst“: Kreative Lösungen für neue Wohn- und Lebensverhältnisse
Nachkriegszeit, Unterstützung für Flüchtlinge und Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg
Nationalsozialismus, Menschen, Organisationen und Einrichtungen des Paritätischen in Bayern während der Zeit des Nationalsozialismus
Selbsthilfe, Eine wechselvolle Geschichte: Selbsthilfe im Paritätischen in Bayern
Verbandsstruktur, Ein Einschnitt im „kulturellen Gedächtnis der Organisation“: Die Krise und Umstrukturierung des Paritätischen in Bayern
Vietnam, „Grüß Gott, liebe Freunde aus Vietnam“ – Eine neue Aufgabe für den Paritätischen in Bayern
Wiedergründung, „Jetzt gibt es keine Fraueninteressen, jetzt gibt es nur eine gemeinsame Not“: Die Wiedergründung des Paritätischen in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg


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