Die treibende Kraft: Anna Heim-Pohlmann

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Anna Heim-Pohlmann um 1920.

Anna Heim-Pohlmann gehört zu den wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Paritätischen in Bayern. Sie ist schon in den 1920er Jahren Teil des Verbands und macht seine Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg erst möglich.

Sozialer Aufstieg

Anna Pohlmann wird am 31. Januar 1885 als jüngstes von acht Kindern in Hagen in Westfalen geboren. Sie ist früh darauf angewiesen, eigenes Geld zu verdienen. Deshalb macht sie eine kaufmännische Ausbildung. Dabei lernt sie, den Zusammenhalt von Frauen zu schätzen: Sie lebt mit Studentinnen in einer Wohngemeinschaft. In ihrer Freizeit bereitet sich Anna Pohlmann mit Privatunterricht auf das Abitur vor. 1913, mit 28 Jahren, beginnt sie, Nationalökonomie zu studieren.[1]

Ihr Studium führt Anna Pohlmann nach Jena, Heidelberg, München und Frankfurt. 1917 promoviert sie und heiratet ein Jahr später den Geologen Dr. Fritz Heim. Er ist zweieinhalb Jahre jünger als sie und nimmt als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Nach Kriegsende ziehen die beiden gemeinsam nach München.[2]

Keine typische Biografie

Anna Heim-Pohlmann wählt nicht den zu dieser Zeit typischen Weg für eine verheiratete Frau und zieht sich nicht in den Haushalt zurück. Stattdessen wird sie Referentin an der Reichszentrale für Heimatdienst, der Vorgängerinstitution der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie wird außerdem Mitglied im Verein für Fraueninteressen.[3] Der Verein wird ein wichtiger Teil ihres Lebens.

Im Herbst 1921 bewirbt sich die 36-Jährige auf die Stelle als Direktorin der Sozialen Frauenschule der Stadt München. Die wurde zwei Jahre zuvor gegründet, um dem wachsenden Bedarf an Fachkräften in den sozialen Berufen zu begegnen.[4] Stadträtin Luise Kiesselbach, die Anna Heim-Pohlmann aus dem Verein für Fraueninteressen kennt, setzt sich erfolgreich für sie ein.[5]

Direktorin der Sozialen Frauenschule der Stadt München

Anna Heim-Pohlmann wird zwölf Jahre lang Direktorin der Sozialen Frauenschule bleiben. Sie lehrt die Fächer Volkswirtschaft, Statistik, Staats- und Gemeindefinanzen und Geschichte und Organisation der Wohlfahrtspflege.[6] 1926 wird die Schule vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus offiziell als Wohlfahrtsschule anerkannt. Ihre Absolventinnen gelten jetzt als staatlich anerkannte Wohlfahrtspflegerinnen. Das kann das Ansehen dieses neuen Berufes weiter steigern.[7] Daneben ist Anna Heim-Pohlmann im Verein für Fraueninteressen und in der liberalen DDP aktiv und hilft beim Aufbau des Paritätischen mit.[8]

Am 30. September 1933 ist Anna Heim-Pohlmanns letzter Arbeitstag. Ihr wurde gekündigt. Der Grund: Der Schulrat ist mit ihren Lehrinhalten nicht zufrieden. Es stört ihn zum Beispiel, dass „sie Adolf Hitlers ‚Mein Kampf‘ oder andere nationalsozialistische Schriften nie erwähnt [und] das Arbeitsbeschaffungsprogramm Hitlers als unbedeutend abgetan“ hat.[9] Anna Heim-Pohlmann ist eine überzeugte Demokratin. Das kostet sie jetzt den Job.

Unaufhaltsam im Einsatz für Verein und Verband

Anna Heim-Pohlmann konzentriert sich jetzt vollkommen auf ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten. Weil ihr Ehemann Geologe ist, kann sie sich das leisten. Die Auflösung des Paritätischen kann sie nicht verhindern. Den Verein für Fraueninteressen führt sie als Teil des Vorstands weiter. Sie gehört zu denjenigen, die den Verein am Laufen halten. Davon profitiert auch der Paritätische, der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg seine Arbeit wieder aufnehmen kann.

Anna Heim-Pohlmann wird stellvertretende Vorsitzende des Paritätischen in Bayern und Vorstandsmitglied und Ehrenvorsitzende des Gesamtverbandes. 1955 erhält sie dessen Goldene Ehrenplakette, fünf Jahre später das Bundesverdienstkreuz. Selbst als sie mit ihrem Mann in ein Altersheim des Paritätischen zieht, bleibt sie weiter aktiv, schreibt zahlreiche Briefe, nimmt an Sitzungen teil.[10]


Zu ihrem 70. Geburtstag gratuliert der Paritätische Anna Heim-Pohlmann auf der Titelseite des bundesweiten Verbandsmagazins. Zu Recht wird sie hier als „Wiederbegründerin unseres Landesverbandes Bayern“ bezeichnet.


Aber es weht ein neuer Wind im Paritätischen in Bayern: Es gibt jetzt zum ersten Mal einen Finanzplan, der Verband investiert gezielt in Öffentlichkeitsarbeit, spart an anderer Stelle ein. Anna Heim-Pohlmann, mittlerweile Mitte 80, fühlt sich vor den Kopf gestoßen: „Mir erscheint das alles als systematische Zerschlagung hochqualifizierter Fürsorgearbeit zu Gunsten des Apparats, einer Arbeit, die zum Teil bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurückreicht und meines Erachtens durch die schönste und aufwendigste Öffentlichkeitsarbeit nicht ersetzt werden kann. [...] Ich habe mit diesem Verband eigentlich nichts mehr gemein“, schreibt sie im Oktober 1971 an Hans Ritter, den Vorsitzenden des Paritätischen in Bayern.[11] Sie legt ihr Amt als stellvertretende Vorsitzende nieder, bleibt aber Teil des Vorstands. 1980 stirbt sie im Alter von 95 Jahren.

Quellen und Literatur

Quellen:

  • DPWV-Nachrichten (1955) Heft 2, S. 1.
  • Gudden, Helmut: Nachruf auf Fritz Heim, in: Geologica Bavarica (1982) Nr. 83, S. 273.
  • Interne Korrespondenz von Anna Heim-Pohlmann, Archiv des Paritätischen in Bayern.
  • o. A.: Dr. Anna Heim-Pohlmann, in: DPWV-Nachrichten (1980) Heft 9, S. 129.

Literatur:

  • Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918-1938, Pfaffenweiler 1994.
  • Hege, Marianne: Die Soziale Frauenschule der Stadt München 1919-1945. Zur Geschichte der Professionalisierung geistiger und praktischer Mütterlichkeit, Alling 1999.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hege, Marianne: Die Soziale Frauenschule der Stadt München 1919-1945. Zur Geschichte der Professionalisierung geistiger und praktischer Mütterlichkeit, Alling 1999, S. 81-83.
  2. Gudden, Helmut: Nachruf auf Fritz Heim, in: Geologica Bavarica (1982) Nr. 83, S. 273.
  3. Vgl. Hege: Die Soziale Frauenschule, S. 81.
  4. Vgl. Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918-1938, Pfaffenweiler 1994, S. 13 f.
  5. Vgl. Hege: Die Soziale Frauenschule, S. 84.
  6. Vgl. Hege: Die Soziale Frauenschule, S. 91 f.
  7. Vgl. Hege: Die Soziale Frauenschule, S. 90.
  8. Vgl. Hege: Die Soziale Frauenschule, S. 85 f.
  9. Zitiert nach: Hege: Die Soziale Frauenschule, S. 115.
  10. Vgl. o. A.: Dr. Anna Heim-Pohlmann, in: DPWV-Nachrichten (1980) Heft 9, S. 129.
  11. Archiv des Paritätischen in Bayern, Schreiben: Anna Heim-Pohlmann an Hans Ritter, 5.10.1971.

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