Die „kleine Frau mit dem gewaltig großen Herzen“: Betty Geiling

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Die Pädagogin Betty Geiling baut in den 1960er Jahren die erste Kreisgruppe des Paritätischen in Bayern auf. Die wird später zum Bezirksverband Unterfranken werden. Betty Geiling begleitet die Kreisgruppe jahrzehntelang als Geschäftsführerin und kann in Unterfranken in dieser Zeit einiges bewegen.


Betty Geiling (ganz rechts) mit ihrem Team der Kreisgruppe Unterfranken 1983.


Eine unbekannte Jugend

Betty Geiling wird am 9. März 1926 in Gelchsheim bei Würzburg geboren.[1] Als der Zweite Weltkrieg endet, ist sie 19 Jahre alt. Auch wenn Betty Geiling in Zukunft viele Interviews geben wird, wird sie über ihre Kindheit und Jugend kaum sprechen. Eine spätere Weggefährtin wird sich später daran erinnern, dass da „ein Kriegsschicksal“ war: „Ich glaube, ihr Verlobter ist gefallen. Aber [...] man hat über die Kriegszeit damals nicht gesprochen.“[2]

Nachkriegsjahre

Die ersten Jahre nach dem Krieg verbringt Betty Geiling damit, Geflüchteten aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zu helfen, die jetzt in ihrer Heimatregion ankommen. Unterfranken ist plötzlich Grenzland zwischen Ost und West. Ende der 1940er Jahre übernimmt Betty Geiling die Leitung eines Kindergartens in Schweinfurt. Knapp 10 Jahre lang arbeitet sie in verschiedenen Städten als Erzieherin. Zuletzt leitet sie eine Kindertagesstätte in Hannover.[3]

Aber es zieht sie zurück nach Unterfranken. 1957 erhält Betty Geiling von den örtlichen Behörden und dem Paritätischen in Bayern einen Auftrag. Die 31-Jährige soll sich um die Menschen im Flüchtlingslager Gelchsheim kümmern. Dabei geht es nicht um Fürsorge im materiellen Sinn. Die haben die kirchlichen Verbände übernommen. Betty Geiling soll die Menschen sozialpädagogisch betreuen. Durch Bildungsangebote sollen die „negativen Erscheinungsbilder und Verhaltensweisen von ‚Lagerleuten‘ in Massenlagern“ verhindert werden.[4]

Die Kreisgruppe entsteht

Während ihrer Zeit als Geschäftsführerin wird Betty Geiling immer wieder die Chance nutzen, in der Öffentlichkeit auf die schwierige Situation der Wohlfahrtspflege aufmerksam zu machen, wie hier 1980.

Der Paritätische in Bayern sitzt in München. In Unterfranken gibt es viele Mitgliedsorganisationen des Verbands. Aber: „Sie haben untereinander kaum Kontakt.“[5] Viele der Mitarbeitenden der Mitgliedsorganisationen wissen gar nicht, dass sie zum Verband gehören. Er ist kaum bekannt.[6] Im Herbst 1963 wird in Würzburg die erste Kreisgruppe des Paritätischen in Bayern ins Leben gerufen. Betty Geiling wird Geschäftsführerin. Sie arbeitet ja schon seit Jahren in Unterfranken für den Paritätischen in Bayern. Monate bevor im November 1964 die offizielle Gründungsversammlung stattfinden kann, beginnt die Kreisgruppe mit ihrer Arbeit. Sie hat Vorbildcharakter: Auch in München und Augsburg werden bald eigene Kreisgruppen des Paritätischen in Bayern gegründet.[7]

Betty Geiling wird später erzählen: „Mit der Gründung der ‚Kreisgruppe‘ in Würzburg für Unterfranken begann das Aufhorchen. Die unterschiedlichen Initiativen wurden miteinander bekannt, informierten sich und erklärten ihre Bereitschaft auf Bezirksebene im Paritätischen mitzuwirken.“[8] 1968 wird eine erste Außenstelle Schweinfurt eingerichtet. 1976 entsteht eine weitere in Aschaffenburg.[9]

„Geachtet und geliebt“

Andrea Müller-Stoy ist Referentin für Frauen und Familie im Paritätischen in Bayern, als sie Betty Geiling in den 1980er Jahren kennenlernt. Ihr Eindruck von der Geschäftsstelle in Würzburg: „Die Kreisgruppe hatte Wohnzimmercharakter“.[10] Über Betty Geiling selbst wird sie später sagen: „Ich habe sie geachtet und geliebt.“[11]

Betty Geiling gibt immer wieder Interviews und wirbt für Unterstützung. Sie erkennt, was den Menschen fehlt, und entwickelt neuartige Projekte, um ihnen zu helfen. So entsteht unter anderem eine Kinderspielstube am Bahnhof in Würzburg. Hier können Kinder stundenweise betreut werden, während ihre Eltern Erledigungen machen, zum Beispiel einkaufen oder zum Arzt gehen. Auch die erste Sozialstation Unterfrankens geht auf die Initiative von Betty Geiling zurück.

In der Lokalzeitung werden Betty Geilings Geburtstage gerne zum Anlass genommen, sie zu porträtieren – auch als sie schon im Ruhestand ist. Betty Geiling stirbt 2021 im Alter von 95 Jahren.[12]


Auch der Paritätische in Bayern feiert mit Betty Geiling Geburtstag: Zu ihrem 60. wird sie 1986 in der bundesweiten Verbandszeitung vorgestellt. Hier werden ihre größten Erfolge und Auszeichnungen aufgezählt.


Quellen

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Slg Flüchtlingswesen 592, Betty Geiling an Martin Kornrumpf, 25.10.1976.
  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv, SdA Sudetendt. Sozialwerk 468, Arbeitsbericht für die Zeit vom 1.1.63—31.12.63, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Bayern e.V., 3.7.1964.
  • Geiling, Betty: München ist weit weg! Unterfranken am Ende von Bayern, in: 60 Jahre Bezirksverband Unterfranken, S. 7.
  • Grimm, Hannelore: Unermüdlicher Einsatz für den Nächsten, in: Main Post, 10.9.2021.
  • o. A.: Betty Geiling wurde 60, in: parität aktuell (1986) Nr. 2, o. S.
  • o. A.: Der Paritätische in Unterfranken 1964—2014, in: 50 Jahre Bezirksverband Unterfranken, S. 5.
  • Zeitzeuginnengespräch mit Andrea Müller-Stoy am 20. März 2024.

Einzelnachweise

  1. Vgl. o. A.: Betty Geiling wurde 60, in: parität aktuell (1986) Nr. 2, o. S.
  2. Zeitzeuginnengespräch mit Andrea Müller-Stoy am 20. März 2024.
  3. Vgl. o. A.: Betty Geiling wurde 60.
  4. BayHStA, Slg Flüchtlingswesen 592, Betty Geiling an Martin Kornrumpf, 25.10.1976.
  5. Geiling, Betty: München ist weit weg! Unterfranken am Ende von Bayern, in: 60 Jahre Bezirksverband Unterfranken, S. 7.
  6. Vgl. ebd.
  7. Vgl. BayHStA, SdA Sudetendt. Sozialwerk 468, Arbeitsbericht für die Zeit vom 1.1.63—31.12.63, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Bayern e.V., 3.7.1964.
  8. Geiling: München ist weit weg!
  9. Vgl. o. A.: Der Paritätische in Unterfranken 1964—2014, in: 50 Jahre Bezirksverband Unterfranken, S. 5.
  10. Zeitzeuginnengespräch mit Andrea Müller-Stoy am 20. März 2024.
  11. Ebd.
  12. Vgl. Grimm, Hannelore: Unermüdlicher Einsatz für den Nächsten, in: Main Post, 10.9.2021.

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