„Meisterin der Jugendhilfe“ und Täterin: Elisabeth Bamberger

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Elisabeth Bamberger in ihrer Funktion als Leiterin des Münchner Jugendamts Anfang der 1950er Jahre.

Elisabeth Bamberger ist eine wichtige Figur in der Geschichte des Vereins für Fraueninteressen, des Paritätischen in Bayern und der Jugendhilfe in der jungen Bundesrepublik. Sie hat aber auch einen Anteil an der Verfolgung von Menschen in München während der Zeit des Nationalsozialismus.

Von der Universität ins Wohlfahrtsamt

Elisabeth Bamberger, geboren am 13. Dezember 1890 im oberbayerischen Erding, promoviert 1922 über „Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters“.[1] Das ist etwas Besonderes: Frauen machen zu dieser Zeit nur etwa elf Prozent der Studierenden an der Münchner Universität aus.[2]

Danach geht Elisabeth Bamberger zum Münchner Wohlfahrtsamt und wird Leiterin der neuen Abteilung „Familienfürsorge“. In dieser Position hat sie die Aufsicht über alle Wohlfahrtspflegerinnen der Stadt: Sie ist an ihrer Einstellung und Weiterbildung beteiligt und bespricht besonders schwierige Fürsorgefälle mit ihnen.[3] Als promovierte Nationalökonomin ist sie überqualifiziert, aber Frauen haben auf dem Arbeitsmarkt wenig Spielraum.[4]

Zwischen Stadtverwaltung und freier Wohlfahrtspflege

Elisabeth Bamberger erarbeitet unter anderem diesen Wegweiser durch die Münchner Fürsorgelandschaft, der 1929 erscheint.

Elisabeth Bamberger ist auch für Ehrenamtliche und für die Zusammenarbeit des Wohlfahrtsamtes mit der freien Wohlfahrtspflege zuständig.[5] Das passt gut: Sie ist selbst Mitglied im Verein für Fraueninteressen. Bei Vorträgen und Lehrgängen wirbt sie für mehr ehrenamtliche Mitarbeit in der Fürsorge und hilft, neue Freiwillige auszubilden.[6] Im Oktober 1932 übernimmt sie den Vorsitz des Akademikerinnenbundes, einer Ausgründung des Vereins für Fraueninteressen. Er setzt sich für die Besserstellung von hochqualifizierten Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein.[7]

Elisabeth Bamberger im Nationalsozialismus

Auch im Nationalsozialismus bleibt Elisabeth Bamberger Leiterin der Münchner Familienfürsorge. In die NSDAP tritt sie nicht ein. Ihre Arbeit wird im nationalsozialistischen System aber so positiv wahrgenommen, dass sie 1941 befördert wird. Die Hausbesuche und Berichte der Fürsorgerinnen dienen jetzt dazu, die vom Wohlfahrtsamt betreuten Menschen zu kontrollieren. Wer im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie als „asozial“, „arbeitsscheu“ oder „minderwertig“ eingestuft wird, dem drohen Zwangssterilisation, Zwangsarbeit oder das Konzentrationslager Dachau.[8] Elisabeth Bamberger setzt sich persönlich für eine strikte Verfolgung und Drangsalierung von Menschen im Sinne der NS-Ideologie ein. Sie beschwert sich zum Beispiel darüber, dass sich die Polizei zu oft durch vermeintlich faule Arbeitslose „an der Nase herum[führen]“ ließe.[9]

Ungebremste Karriere

Nach 1945 kann Elisabeth Bamberger ihre Karriere ungehindert fortsetzen. Sie wird Direktorin des Münchner Jugendamtes. Als formal unbelastete Person kann sie sich für frühere Kollegen einsetzen und ihnen bei der Entnazifizierung helfen.[10] Im Verein für Fraueninteressen, von dem zu dieser Zeit der Paritätische in Bayern neu aufgebaut wird, sitzt sie weiter im Vorstand.[11] Elisabeth Bamberger wird zu einer wichtigen und hoch geachteten Person in der Jugendhilfe der jungen Bundesrepublik. Sie stößt wichtige Reformen an und beteiligt sich rege am fachlichen Austausch.

Elisabeth Bamberger ist bekannt dafür, dass sie sich lebhaft an allen öffentlichen Diskussionen beteiligt, die Jugendschutz und Jugendfürsorge betreffen. Für den Paritätischen ist sie eine wichtige Expertin. Im bundesweiten Verbandsmagazin wird 1952 dieser Vortrag abgedruckt, den sie bei einer Fachtagung gehalten hat.[12]


1955 wird Elisabeth Bamberger pensioniert. Die 65-Jährige übernimmt den Vorsitz des Münchner Vereins Kinderschutz und Mutterschutz, einer der Gründungsorganisationen des Paritätischen in Bayern. Anna Heim-Pohlmann nennt sie wenig später in einem Brief „eine wertvolle Mitarbeiterin und gute Paritäterin“.[13] Anlässlich ihres 80. Geburtstags wird Elisabeth Bamberger als „vielverehrte Meisterin der Jugendhilfe“ und „Kämpferin für ein lebendiges Jugendamt“ gefeiert.[14] Sie stirbt am 23. September 1984 in München.[15]

Quellen und Literatur

Quellen:

  • Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, ED 898/ 18, Akten des Vorstands des Vereins für Fraueninteressen, 1946-1994.
  • Archiv Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V., Anna Heim-Pohlmann an Kurz Göbel, 12.12.1957.
  • O. A.: Die Mitarbeit ehrenamtlicher Kräfte, in: Münchner Neueste Nachrichten, 19.6.1927, S. 33
  • O. A.: Dr. Elisabeth Bamberger zum 80. Geburtstag, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1971) Heft 6, S. 6.
  • O. A.: Elisabeth Bamberger, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1984) Heft 12, S. 155.
  • O. A.: Frau Dr. E. Bamberger, München, sprach zum Jugendschutzgesetz, in: DPWV-Nachrichten (1952) Heft 10, S. 4.

Literatur:

  • Angermair, Elisabeth: Die Illusion des Regenbogens. Perspektiven für Frauen in der Nachkriegsgesellschaft, München 2007.
  • Bergmeier, Monika: „Vom Lebenswunsch, sozial zu arbeiten“. Nationalökonominnen in München bis 1933, in: Häntzschel, Hiltrud/Bußmann, Hadumod (Hg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997, S. 178-193.
  • Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918-1938, Pfaffenweiler 1994.
  • Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Angermair, Elisabeth: Die Illusion des Regenbogens. Perspektiven für Frauen in der Nachkriegsgesellschaft, München 2007, S. 75.
  2. Vgl. ebd.
  3. Vgl. Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918—1938, Pfaffenweiler 1994, S. 35-37.
  4. Vgl. Bergmeier, Monika: „Vom Lebenswunsch, sozial zu arbeiten“. Nationalökonominnen in München bis 1933, in: Häntzschel, Hiltrud/Bußmann, Hadumod (Hg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997, S. 185.
  5. Vgl. Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918-1938, Pfaffenweiler 1994, S. 37.
  6. O. A.: Die Mitarbeit ehrenamtlicher Kräfte, in: Münchner Neueste Nachrichten, 19.6.1927, S. 33.
  7. Vgl. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit vom 1. Oktober 1932 bis 30 September 1933, in: Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, ED 898/585, Korrespondenz des Vereins für Fraueninteressen vor 1945, 1933-1936.
  8. Vgl. Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014, S. 113-114 sowie S. 125.
  9. Zitiert nach Wimmer: Die völkische Ordnung von Armut, S. 286.
  10. Vgl. Wimmer: Die völkische Ordnung von Armut, S. 415.
  11. Vgl. Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, ED 898/ 18, Akten des Vorstands des Vereins für Fraueninteressen, 1946-1994.
  12. O. A.: Frau Dr. E. Bamberger, München, sprach zum Jugendschutzgesetz, in: DPWV-Nachrichten (1952) Heft 10, S. 4.
  13. Archiv Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V., Anna Heim-Pohlmann an Kurz Göbel, 12.12.1957.
  14. O. A.: Dr. Elisabeth Bamberger zum 80. Geburtstag, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1971) Heft 6, S. 6.
  15. O. A.: Elisabeth Bamberger, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1984) Heft 12, S. 155.

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