„Meisterin der Jugendhilfe“ und Täterin: Elisabeth Bamberger

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Elisabeth Bamberger ist eine überaus erfolgreiche Frau, die für Bildungs- und Karrieremöglichkeiten kämpft. Sie ist von Beginn an Teil des Netzwerks um den Paritätischen in Bayern und jahrzehntelang eine gefragte Expertin, wenn es um Fragen der Familien- und Jugendfürsorge geht. Ihre einflussreiche Tätigkeit während des Nationalsozialismus ist dabei kein Hindernis.


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So sieht man Elisabeth Bamberger (ganz links) häufig: In eine Diskussion vertieft, mit Zigarette in der Hand. Das Bild zeigt sie während einer Sitzung zum Thema „Jugend und Politik“ im Münchner Rathaus im Juli 1953.


Von der Universität ins Wohlfahrtsamt

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 sind nur elf Prozent der Studierenden an der Münchner Universität Frauen. Eine von ihnen ist die am 13. Dezember 1890 im oberbayerischen Erding geborene Elisabeth Bamberger. Sie studiert Nationalökonomie und promoviert 1922 über „Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelaters“.[1]

Anschließend wird Elisabeth Bamberger Leiterin der neuen Abteilung „Familienfürsorge“ im Münchner Wohlfahrtsamt. In dieser Position hat sie die Aufsicht über alle Wohlfahrtspflegerinnen der Stadt: Sie ist an ihrer Einstellung und Weiterbildung beteiligt und bespricht besonders schwierige Fürsorgefälle mit ihnen.[2] Als promovierte Nationalökonomin ist sie deutlich überqualifiziert, aber Frauen haben auf dem Arbeitsmarkt wenig Spielraum.[3]


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„Die Tätigkeit der Familienfürsorgerin“: Unter dem Motto „Zu großer Bezirk verwirrt Kopf und Herz“ wirbt dieses Modell von 1926 dafür, Wohlfahrtspflegerinnen überschaubare Gebiete zuzuteilen. Hausbesuche machen einen wichtigen Teil ihrer täglichen Arbeit aus.


Zwischen Stadtverwaltung und freier Wohlfahrtspflege

Als Leiterin der Familienfürsorge ist Elisabeth Bamberger auch für Ehrenamtliche und für die Zusammenarbeit des Wohlfahrtsamtes mit der freien Wohlfahrtspflege zuständig.[4] Das passt gut: Sie ist selbst Mitglied im Verein für Fraueninteressen. Bei Vorträgen und Lehrgängen wirbt sie für mehr ehrenamtliche Mitarbeit in der Fürsorge und hilft, neue Freiwillige auszubilden.[5]

Im Oktober 1932 übernimmt sie den Vorsitz des Akademikerinnenbundes, einer Ausgründung des Vereins für Fraueninteressen.[6] Er setzt sich für die Besserstellung von hochqualifizierten Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein. Wie wichtig das ist, weiß Elisabeth Bamberger aus eigener Erfahrung.

Eine Schreibtischtäterin

Im Nationalsozialismus kommt der Familienfürsorge eine neue Bedeutung zu. Mehr denn je dienen ihre Hausbesuche und Berichte jetzt dazu, die vom Wohlfahrtsamt betreuten Menschen zu kontrollieren. Wer als „asozial“, „arbeitsscheu“ oder „minderwertig“ eingestuft wird, dem drohen Zwangssterilisation, Zwangsarbeit oder das Konzentrationslager Dachau.[7] Elisabeth Bamberger ist für solche Maßnahmen mitverantwortlich und setzt sich persönlich für ein hartes Vorgehen ein.[8] Währenddessen bleibt sie im Verein für Fraueninteressen aktiv, der gegen eine drohende Auflösung durch die NS-Behörden kämpft.

Ungebremste Karriere in der jungen Bundesrepublik

Nach 1945 kann Elisabeth Bamberger ihre Karriere ungehindert fortsetzen. Ihr kommt zugute, dass sie nie in die NSDAP eingetreten ist: Sie wird Direktorin des Münchner Jugendamtes. Als formal unbelastete Person kann sie sich für frühere Vorgesetzte und Kollegen einsetzen.[9] Sie nimmt an den Beratungen über einen möglichen Beitritt der Bundesrepublik zur Unesco teil.[10] Im Verein für Fraueninteressen, von dem zu dieser Zeit der Paritätische in Bayern neu aufgebaut wird, sitzt sie im Vorstand.[11]

Elisabeth Bamberger ist bekannt dafür, dass sie sich lebhaft an allen öffentlichen Diskussionen beteiligt, die Jugendschutz und Jugendfürsorge betreffen. Für den Paritätischen ist sie eine wichtige Expertin. Im bundesweiten Verbandsmagazin wird 1952 dieser Vortrag abgedruckt, den sie bei einer Fachtagung gehalten hat.



1955 wird Elisabeth Bamberger pensioniert. Die 65-Jährige übernimmt den Vorsitz des Münchner Vereins Kinderschutz und Mutterschutz, einer der Gründungsorganisationen des Paritätischen in Bayern. Anlässlich ihres 80. Geburtstags wird sie noch einmal als „vielverehrte Meisterin der Jugendhilfe“ und „Kämpferin für ein lebendiges Jugendamt“ gefeiert.[12] Sie stirbt am 23. September 1984 in München.[13] Ihre Mittäterinnenschaft im Nationalsozialismus ist bis dahin nicht thematisiert worden – weder von ihr, noch von ihren Wegbegleiter*innen.

Quellen und Literatur

Quellen:

  • O. A.: Die Mitarbeit ehrenamtlicher Kräfte, in: Münchner Neueste Nachrichten, 19.6.1927, S. 33
  • O. A.: Dr. Elisabeth Bamberger zum 80. Geburtstag, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1971) Heft 6, S. 6.
  • O. A.: Elisabeth Bamberger, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1984) Heft 12, S. 155.
  • O. A.: Frau Dr. E. Bamberger, München, sprach zum Jugendschutzgesetz, in: DPWV-Nachrichten (1952) Heft 10, S. 4.


Literatur:

  • Angermair, Elisabeth: Die Illusion des Regenbogens. Perspektiven für Frauen in der Nachkriegsgesellschaft, München 2007.
  • Bergmeier, Monika: „Vom Lebenswunsch, sozial zu arbeiten“. Nationalökonominnen in München bis 1933, in: Häntzschel, Hiltrud/Bußmann, Hadumod (Hg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997, S. 178-193.
  • Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918—1938, Pfaffenweiler 1994.
  • Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014.


Einzelnachweise

  1. Vgl. Angermair, Elisabeth: Die Illusion des Regenbogens. Perspektiven für Frauen in der Nachkriegsgesellschaft, München 2007, S. 75.
  2. Vgl. Brunner, Claudia: Frauenarbeit im Männerstaat. Wohlfahrtspflegerinnen im Spannungsfeld kommunaler Sozialpolitik in München 1918—1938, Pfaffenweiler 1994, S. 35—37.
  3. Vgl. Bergmeier, Monika: „Vom Lebenswunsch, sozial zu arbeiten“. Nationalökonominnen in München bis 1933, in: Häntzschel, Hiltrud/Bußmann, Hadumod (Hg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997, S. 185.
  4. Vgl. Brunner: Frauenarbeit im Männerstaat, S. 37.
  5. Vgl. O. A.: Die Mitarbeit ehrenamtlicher Kräfte, in: Münchner Neueste Nachrichten, 19.6.1927, S. 33.
  6. Vgl. Jahresbericht des Vereins für Fraueninteressen und Frauenarbeit vom 1. Oktober 1932 bis 30 September 1933, in: Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, ED 898/585, Korrespondenz des Vereins für Fraueninteressen vor 1945, 1933-1936.
  7. Vgl. Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014, S. 113—114 sowie S. 125.
  8. Vgl. Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014, S. 286.
  9. Wimmer, Florian: Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, Göttingen 2014, S. 415.
  10. Vgl. Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, ED 898/ 18, Akten des Vorstands des Vereins für Fraueninteressen, 1946-1994.
  11. Vgl. ebd.
  12. O. A.: Dr. Elisabeth Bamberger zum 80. Geburtstag, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1971) Heft 6, S. 6.
  13. O. A.: Elisabeth Bamberger, in: Bayerischer Wohlfahrtsdienst. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern (1984) Heft 12, S. 155.

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