„Energie, Gestaltungswillen, Hartnäckigkeit“ für Frauenrechte in Krisensituationen: Polina Hilsenbeck: Unterschied zwischen den Versionen

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''Als junge Psychologiestudentin findet Polina Hilsenbeck zur Frauenbewegung. Daraus entsteht eine Lebensaufgabe. 1978 gründet Polina Hilsenbeck das FrauenTherapieZentrum in München mit. Jahrzehntelang begleitet und prägt sie diese besondere Mitgliedsorganisation des Paritätischen in Bayern.''
''Als junge Psychologiestudentin findet Polina Hilsenbeck zur Frauenbewegung. Daraus entsteht eine Lebensaufgabe. 1978 gründet Polina Hilsenbeck das FrauenTherapieZentrum in München mit. Jahrzehntelang begleitet und prägt sie diese besondere Mitgliedsorganisation des Paritätischen in Bayern.''
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<br>[[Datei:Polina Hilsenbeck 2017.jpg|gerahmt|zentriert|<center>Polina Hilsenbeck 2017, ein Jahr nach ihrem Ausscheiden aus dem ''FrauenTherapieZentrum''.</center>]]<br>
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==Politische erste Schritte==
==Politische erste Schritte==


„Meine erste feministische Erfahrung war meine Mutter“, wird Polina Hilsenbeck rückblickend sagen.<ref>Dieses und alle folgenden Zitate und Informationen, die nicht anders gekennzeichnet sind, stammen aus einem Zeitzeuginnengespräch mit Polina Hilsenbeck, geführt am 3. April 2024.</ref> Sie wird 1951 in München geboren, hat drei Geschwister. Ihre Eltern mochten sich noch nie. Die Mutter wird vom Vater unterdrückt, darf nicht arbeiten gehen. Das Familienleben ist von Konflikten geprägt. Nur in der Schule kann Polina Hilsenbeck zur Ruhe kommen.
Polina Hilsenbeck wird 1951 in München geboren. Sie wächst mit drei Geschwistern auf. Die Beziehung zwischen Vater und Mutter ist angespannt. Das Familienleben ist von Konflikten geprägt. In der Schule kann Polina Hilsenbeck zur Ruhe kommen. Sie ist sehr wissbegierig. Das Lernen macht ihr großen Spaß. Es dient ihr als Zuflucht, als der Vater schwer krank wird.<ref>Sämtliche Zitate und Informationen, die nicht anders gekennzeichnet sind, stammen aus einem Zeitzeuginnengespräch mit Polina Hilsenbeck, geführt am 3. April 2024.</ref>


1970 beginnt Polina Hilsenbeck ein Studium an der Universität in München. Es ist die Zeit der sogenannten 68er-Bewegung. Polina Hilsenbeck ist sehr schüchtern. Trotzdem: „Beim Demonstrieren auf der Straße sitzen und irgendwas rufen, das war toll. Das hat mich sehr belebt und inspiriert“. Bei dem Gedanken an die erste Demonstration, an der sie teilnimmt, wird sie noch Jahrzehnte später Gänsehaut bekommen. Es ist eine Aktion gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.
1970 beginnt Polina Hilsenbeck ein Studium an der Universität in München. Es ist die Zeit der sogenannten 68er-Bewegung. Polina Hilsenbeck ist sehr schüchtern. Trotzdem: „Beim Demonstrieren auf der Straße sitzen und irgendwas rufen, das war toll. Das hat mich sehr belebt und inspiriert“. Bei dem Gedanken an die erste Demonstration, an der sie teilnimmt, wird sie noch Jahrzehnte später Gänsehaut bekommen. Es ist eine Aktion gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.


==„Das war eine Offenbarung.“==
==„Das war eine Offenbarung.“==
[[Datei:FTZ 1983.jpg|300px|mini|rechts|<center>Das Team des FTZ wird 1983 vom Paritätischen in Bayern in der ''parität aktuell'' vorgestellt, der bundesweiten Verbandszeitung. Einige dieser Frauen sind von Beginn an Teil des Projekts.</center>]]
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Polina Hilsenbeck studiert Psychologie, Soziologie und Pädagogik. Für das Studium hat sie aber bald kaum noch Zeit: Sie ist in linken Gruppen und Projekten aktiv, probiert vieles aus. Im Herbst 1974 gründet sich während einer Fachtagung die Organisation Frauen in der Psychologie (OFP). „Mir pochte das Herz und ich dachte, hier bin ich richtig, genau das ist es“, wird sich Polina Hilsenbeck später erinnern. Sie tritt der Gruppe sofort bei. Für Polina Hilsenbeck ist jetzt alles anders: „Ich musste mich nicht mehr fragen, was eigentlich mein Auftrag ist, als bürgerliche, akademische Frau, als Studentin. Plötzlich waren wir Frauen das politische Subjekt und das war eine Offenbarung“.  
Polina Hilsenbeck studiert Psychologie, Soziologie und Pädagogik. Für das Studium hat sie aber bald kaum noch Zeit: Sie ist in linken Gruppen und Projekten aktiv, probiert vieles aus. Im Herbst 1974 gründet sich während einer Fachtagung die bundesweite Organisation Frauen in der Psychologie (OFP). „Mir pochte das Herz und ich dachte, hier bin ich richtig, genau das ist es“, wird sich Polina Hilsenbeck später erinnern. Sie tritt der Gruppe sofort bei. Für Polina Hilsenbeck ist jetzt alles anders: „Ich musste mich nicht mehr fragen, was eigentlich mein Auftrag in der linken Bewegung ist, als bürgerliche, akademische Frau, als Studentin. Plötzlich waren wir Frauen das politische Subjekt und das war eine Offenbarung“.  


Die OFP diskutiert darüber, was in der „herkömmlichen Psychotherapie“ falsch läuft.<ref>O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, in: Heiliger, Anita (Hg.): Frauenarbeit im Rahmen von Initiativen, München 1980, S. 109.</ref> Zum Beispiel: Wenn Frauen „ihre untergeordnete Rolle nicht mehr erfüllen“, wird das schnell als „Störung“ abgestempelt.<ref>Ebd.</ref> Polina Hilsenbeck und die anderen Frauen der OFP erarbeiten neue Beratungs- und Therapieangebote für Frauen. Dabei ist das Thema [[Eine wechselvolle Geschichte: Selbsthilfe im Paritätischen in Bayern|Selbsthilfe]] besonders wichtig. Es ist ein starkes Instrument der [[Schutzräume statt Vanillepudding: Die Neue Frauenbewegung im Paritätischen in Bayern|Neuen Frauenbewegung]], zum Beispiel in Form der sogenannten CR-Gruppen: CR steht für „consciousness-raising“, das Schaffen von Bewusstsein. Dazu kommen Frauen in kleinen Gruppen zusammen und tauschen sich über ein Thema aus. Dabei wird den Teilnehmerinnen klar, dass es gesellschaftliche Strukturen sind, die zu ihren Problemen führen, keine persönlichen Schwächen. Gemeinsam kann nach politischen Lösungen gesucht werden. Das Konzept kommt aus den USA. In der Frauenbewegung der Bundesrepublik gibt es in den 1970er Jahren über 10.000 CR-Gruppen.<ref>Vgl. Baader, Meike Sophia/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara: Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Eine Bilanz, Stuttgart 2021, S. 187—189.</ref>
Die OFP diskutiert darüber, was in der „herkömmlichen Psychotherapie“ falsch läuft.<ref>O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, in: Heiliger, Anita (Hg.): Frauenarbeit im Rahmen von Initiativen, München 1980, S. 109.</ref> Zum Beispiel: Wenn Frauen „ihre untergeordnete Rolle nicht mehr erfüllen“, wird das schnell als „Störung“ abgestempelt.<ref>Ebd.</ref> Polina Hilsenbeck und die anderen Frauen der OFP erarbeiten neue Beratungs- und Therapieangebote für Frauen. Dabei ist das Thema [[Eine wechselvolle Geschichte: Selbsthilfe im Paritätischen in Bayern|Selbsthilfe]] besonders wichtig. Es ist ein starkes Instrument der [[Schutzräume statt Vanillepudding: Die Neue Frauenbewegung im Paritätischen in Bayern|Neuen Frauenbewegung]], zum Beispiel in Form der sogenannten CR-Gruppen: CR steht für „consciousness-raising“, das Schaffen von Bewusstsein. Dazu kommen Frauen in kleinen Gruppen zusammen und tauschen sich über ein Thema aus. Dabei wird den Teilnehmerinnen klar, dass es gesellschaftliche Strukturen sind, die zu ihren Problemen führen, keine persönlichen Schwächen. Gemeinsam kann nach politischen Lösungen gesucht werden. Das Konzept kommt aus den USA. In der Frauenbewegung der Bundesrepublik gibt es in den 1970er Jahren über 10.000 CR-Gruppen.<ref>Vgl. Baader, Meike Sophia/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara: Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Eine Bilanz, Stuttgart 2021, S. 187—189.</ref>
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==Das ''FrauenTherapieZentrum''==
==Das ''FrauenTherapieZentrum''==


Es entsteht die Idee, eine eigene Einrichtung für die Angebote der OFP zu gründen. 1978 wird das FrauenTherapieZentrum (FTZ) eröffnet. Polina Hilsenbeck gehört zum sechsköpfigen Gründungsteam.<ref>Vgl. O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, S. 98.</ref> Der Name des FTZ ist bald nicht mehr Programm: Die Psychotherapie ist weniger gefragt als die vielen Beratungsangebote. Der Name ist aber schon bekannt. Er wird beibehalten.  
Unter den Münchner Frauen, die in der OFP vernetzt sind, entsteht die Idee, eine eigene Einrichtung zu gründen. 1978 wird das FrauenTherapieZentrum (FTZ) eröffnet. Polina Hilsenbeck gehört zum sechsköpfigen Gründungsteam.<ref>Vgl. O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, S. 98.</ref> Der Name des FTZ ist bald nicht mehr Programm: Die Psychotherapie ist weniger gefragt als die vielen Beratungsangebote. Der Name ist aber schon bekannt. Er wird beibehalten.  


<br>[[Datei:FTZ 1979.jpg|gerahmt|zentriert|<center>Die ''münchner frauenzeitung'' ist ein wichtiges Kommunikationsmittel für die Münchner Frauenbewegung. Das FTZ berichtet hier immer wieder über seine Arbeit. Dabei geht es auch um Finanzierung, um Hierarchien und andere Dinge, die sich nur schwer mit den Idealen der Mitarbeiterinnen vereinbaren lassen.</center>]]<br>
<br>[[Datei:FTZ 1979.jpg|mini|600px|zentriert|<center>Die ''münchner frauenzeitung'' ist ein wichtiges Kommunikationsmittel für die Münchner Frauenbewegung. Das FTZ berichtet hier immer wieder über seine Arbeit. Dabei geht es auch um Finanzierung, um Hierarchien und andere Dinge, die sich nur schwer mit den Idealen der Mitarbeiterinnen vereinbaren lassen.</center>]]<br>


Polina Hilsenbeck übernimmt eine Führungsrolle im FTZ. Das ist ihr lange Zeit nicht bewusst. Im FTZ werden immer neue Einrichtungen gegründet, zum Beispiel eine Suchtberatungsstelle. Mit der Zeit wird die Organisation zu groß. Sie muss umstrukturiert werden. Das wird in den 1990er Jahren unter anderem von Antje Krüger begleitet. Die wird Koordinatorin des FTZ mit geschäftsführenden Aufgaben und sammelt dabei Erfahrungen, die sie wenig später bei der [[Umstrukturierung des Paritätischen in Bayern]] einbringen wird.<ref>Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.</ref> Polina Hilsenbeck ist nach der Neuorganisation des FTZ offiziell fachliche Leiterin und Geschäftsführerin. So bleibt es bis 2016.
Polina Hilsenbeck übernimmt eine Führungsrolle im FTZ. Das ist ihr lange Zeit nicht bewusst. Im FTZ werden immer neue Einrichtungen gegründet, zum Beispiel eine Suchtberatungsstelle. Mit der Zeit wird die Organisation zu groß. Sie muss umstrukturiert werden. Das wird in den 1990er Jahren unter anderem von Antje Krüger begleitet. Die wird Koordinatorin des FTZ mit geschäftsführenden Aufgaben und sammelt dabei Erfahrungen, die sie wenig später bei der [[Ein Einschnitt im „kulturellen Gedächtnis der Organisation“: Die Krise und Umstrukturierung des Paritätischen in Bayern|Umstrukturierung des Paritätischen in Bayern]] einbringen wird.<ref>Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.</ref> Polina Hilsenbeck ist nach der Neuorganisation des FTZ offiziell fachliche Leiterin und Geschäftsführerin de neu gegründeten gGmbH. So bleibt es bis 2016.


Antje Krüger spricht noch Jahrzehnte später mit großer Begeisterung von Polina Hilsenbeck: „Polina ist eine außergewöhnliche Person. Ungeheuer kompetent, engagiert, geht an ihre Grenzen. Sie arbeitet ununterbrochen. Das ist eine Person mit wahnsinnig viel Energie, Gestaltungswillen, Hartnäckigkeit. Wenn Polina was will, dann lässt sie so schnell nicht los. Manche in Bayern sagen: Des is a Wadlbeißerin.“<ref>Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.</ref> Über sich selbst sagt Polina Hilsenbeck rückblickend: „Ich habe in der Frauenbewegung zu meiner Kraft gefunden.“ Nach ihrem Ausstieg aus dem FTZ ist sie weiter aktiv, zum Beispiel in der Lehre an der Hochschule München und als Beraterin. Dem Prinzip der CR-Gruppen bleibt sie treu: Jetzt tauscht sie sich mit anderen „Altfeministinnen“ über das Älterwerden aus.
Antje Krüger spricht noch Jahrzehnte später mit großer Begeisterung von Polina Hilsenbeck: „Polina ist eine außergewöhnliche Person. Ungeheuer kompetent, engagiert, geht an ihre Grenzen. Sie arbeitet ununterbrochen. Das ist eine Person mit wahnsinnig viel Energie, Gestaltungswillen, Hartnäckigkeit. Wenn Polina was will, dann lässt sie so schnell nicht los. Manche in Bayern sagen: Des is a Wadlbeißerin.“<ref>Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.</ref> Über sich selbst sagt Polina Hilsenbeck rückblickend: „Ich habe in der Frauenbewegung zu meiner Kraft gefunden.“ Nach ihrem Renteneintritt ist sie weiter aktiv, zum Beispiel in der Lehre an Münchner Hochschulen und als Beraterin. Dem Prinzip der CR-Gruppen bleibt sie treu: Jetzt tauscht sie sich mit anderen „Altfeministinnen“ über das Älterwerden und viele andere gemeinsame Themen aus.


==Quellen und Literatur==
==Quellen und Literatur==
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*Zeitzeuginnengespräch mit Polina Hilsenbeck am 3. April 2024.
*Zeitzeuginnengespräch mit Polina Hilsenbeck am 3. April 2024.
*Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.
*Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.
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'''Literatur:'''
'''Literatur:'''
*Baader, Meike Sophia/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara: Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Eine Bilanz, Stuttgart 2021.
*Baader, Meike Sophia/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara: Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Eine Bilanz, Stuttgart 2021.
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==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==

Aktuelle Version vom 16. Oktober 2024, 00:09 Uhr

Als junge Psychologiestudentin findet Polina Hilsenbeck zur Frauenbewegung. Daraus entsteht eine Lebensaufgabe. 1978 gründet Polina Hilsenbeck das FrauenTherapieZentrum in München mit. Jahrzehntelang begleitet und prägt sie diese besondere Mitgliedsorganisation des Paritätischen in Bayern.


Polina Hilsenbeck 2017, ein Jahr nach ihrem Ausscheiden aus dem FrauenTherapieZentrum.


Politische erste Schritte

Polina Hilsenbeck wird 1951 in München geboren. Sie wächst mit drei Geschwistern auf. Die Beziehung zwischen Vater und Mutter ist angespannt. Das Familienleben ist von Konflikten geprägt. In der Schule kann Polina Hilsenbeck zur Ruhe kommen. Sie ist sehr wissbegierig. Das Lernen macht ihr großen Spaß. Es dient ihr als Zuflucht, als der Vater schwer krank wird.[1]

1970 beginnt Polina Hilsenbeck ein Studium an der Universität in München. Es ist die Zeit der sogenannten 68er-Bewegung. Polina Hilsenbeck ist sehr schüchtern. Trotzdem: „Beim Demonstrieren auf der Straße sitzen und irgendwas rufen, das war toll. Das hat mich sehr belebt und inspiriert“. Bei dem Gedanken an die erste Demonstration, an der sie teilnimmt, wird sie noch Jahrzehnte später Gänsehaut bekommen. Es ist eine Aktion gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.

„Das war eine Offenbarung.“

Das Team des FTZ wird 1983 vom Paritätischen in Bayern in der parität aktuell vorgestellt, der bundesweiten Verbandszeitung. Einige dieser Frauen sind von Beginn an Teil des Projekts.

Polina Hilsenbeck studiert Psychologie, Soziologie und Pädagogik. Für das Studium hat sie aber bald kaum noch Zeit: Sie ist in linken Gruppen und Projekten aktiv, probiert vieles aus. Im Herbst 1974 gründet sich während einer Fachtagung die bundesweite Organisation Frauen in der Psychologie (OFP). „Mir pochte das Herz und ich dachte, hier bin ich richtig, genau das ist es“, wird sich Polina Hilsenbeck später erinnern. Sie tritt der Gruppe sofort bei. Für Polina Hilsenbeck ist jetzt alles anders: „Ich musste mich nicht mehr fragen, was eigentlich mein Auftrag in der linken Bewegung ist, als bürgerliche, akademische Frau, als Studentin. Plötzlich waren wir Frauen das politische Subjekt und das war eine Offenbarung“.

Die OFP diskutiert darüber, was in der „herkömmlichen Psychotherapie“ falsch läuft.[2] Zum Beispiel: Wenn Frauen „ihre untergeordnete Rolle nicht mehr erfüllen“, wird das schnell als „Störung“ abgestempelt.[3] Polina Hilsenbeck und die anderen Frauen der OFP erarbeiten neue Beratungs- und Therapieangebote für Frauen. Dabei ist das Thema Selbsthilfe besonders wichtig. Es ist ein starkes Instrument der Neuen Frauenbewegung, zum Beispiel in Form der sogenannten CR-Gruppen: CR steht für „consciousness-raising“, das Schaffen von Bewusstsein. Dazu kommen Frauen in kleinen Gruppen zusammen und tauschen sich über ein Thema aus. Dabei wird den Teilnehmerinnen klar, dass es gesellschaftliche Strukturen sind, die zu ihren Problemen führen, keine persönlichen Schwächen. Gemeinsam kann nach politischen Lösungen gesucht werden. Das Konzept kommt aus den USA. In der Frauenbewegung der Bundesrepublik gibt es in den 1970er Jahren über 10.000 CR-Gruppen.[4]

Das FrauenTherapieZentrum

Unter den Münchner Frauen, die in der OFP vernetzt sind, entsteht die Idee, eine eigene Einrichtung zu gründen. 1978 wird das FrauenTherapieZentrum (FTZ) eröffnet. Polina Hilsenbeck gehört zum sechsköpfigen Gründungsteam.[5] Der Name des FTZ ist bald nicht mehr Programm: Die Psychotherapie ist weniger gefragt als die vielen Beratungsangebote. Der Name ist aber schon bekannt. Er wird beibehalten.


Die münchner frauenzeitung ist ein wichtiges Kommunikationsmittel für die Münchner Frauenbewegung. Das FTZ berichtet hier immer wieder über seine Arbeit. Dabei geht es auch um Finanzierung, um Hierarchien und andere Dinge, die sich nur schwer mit den Idealen der Mitarbeiterinnen vereinbaren lassen.


Polina Hilsenbeck übernimmt eine Führungsrolle im FTZ. Das ist ihr lange Zeit nicht bewusst. Im FTZ werden immer neue Einrichtungen gegründet, zum Beispiel eine Suchtberatungsstelle. Mit der Zeit wird die Organisation zu groß. Sie muss umstrukturiert werden. Das wird in den 1990er Jahren unter anderem von Antje Krüger begleitet. Die wird Koordinatorin des FTZ mit geschäftsführenden Aufgaben und sammelt dabei Erfahrungen, die sie wenig später bei der Umstrukturierung des Paritätischen in Bayern einbringen wird.[6] Polina Hilsenbeck ist nach der Neuorganisation des FTZ offiziell fachliche Leiterin und Geschäftsführerin de neu gegründeten gGmbH. So bleibt es bis 2016.

Antje Krüger spricht noch Jahrzehnte später mit großer Begeisterung von Polina Hilsenbeck: „Polina ist eine außergewöhnliche Person. Ungeheuer kompetent, engagiert, geht an ihre Grenzen. Sie arbeitet ununterbrochen. Das ist eine Person mit wahnsinnig viel Energie, Gestaltungswillen, Hartnäckigkeit. Wenn Polina was will, dann lässt sie so schnell nicht los. Manche in Bayern sagen: Des is a Wadlbeißerin.“[7] Über sich selbst sagt Polina Hilsenbeck rückblickend: „Ich habe in der Frauenbewegung zu meiner Kraft gefunden.“ Nach ihrem Renteneintritt ist sie weiter aktiv, zum Beispiel in der Lehre an Münchner Hochschulen und als Beraterin. Dem Prinzip der CR-Gruppen bleibt sie treu: Jetzt tauscht sie sich mit anderen „Altfeministinnen“ über das Älterwerden und viele andere gemeinsame Themen aus.

Quellen und Literatur

Quellen:

  • O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, in: Heiliger, Anita (Hg.): Frauenarbeit im Rahmen von Initiativen, München 1980, S. 109. [Seiten nachtragen]
  • Zeitzeuginnengespräch mit Polina Hilsenbeck am 3. April 2024.
  • Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.

Literatur:

  • Baader, Meike Sophia/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara: Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Eine Bilanz, Stuttgart 2021.

Einzelnachweise

  1. Sämtliche Zitate und Informationen, die nicht anders gekennzeichnet sind, stammen aus einem Zeitzeuginnengespräch mit Polina Hilsenbeck, geführt am 3. April 2024.
  2. O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, in: Heiliger, Anita (Hg.): Frauenarbeit im Rahmen von Initiativen, München 1980, S. 109.
  3. Ebd.
  4. Vgl. Baader, Meike Sophia/Breitenbach, Eva/Rendtorff, Barbara: Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Eine Bilanz, Stuttgart 2021, S. 187—189.
  5. Vgl. O. A.: Konzept des Frauentherapie-Zentrums München, S. 98.
  6. Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.
  7. Zeitzeuginnengespräch mit Antje Krüger am 18. Dezember 2023.

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