Eltern ergreifen die Initiative: Neue Formen der Kinderbetreuung erobern den Paritätischen in Bayern: Unterschied zwischen den Versionen

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''Weil es in Bayern viel zu wenig Kindergärten gibt, ergreifen Eltern die Initiative: Sie gründen eigene Projekte mit besonderen Konzepten, um ihre Kinder auf neue Art zu erziehen und zu betreuen. Der Paritätische in Bayern unterstützt ihre Ideen und Forderungen. Das bringt frischen Wind in die Kinderbetreuung.''
''Weil es in Bayern viel zu wenig Kindergärten gibt, ergreifen Eltern die Initiative: Sie gründen eigene Projekte mit besonderen Konzepten, um ihre Kinder auf neue Art zu erziehen und zu betreuen. Der Paritätische in Bayern unterstützt ihre Ideen und Forderungen. Das bringt frischen Wind in die Kinderbetreuung.''
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==Mehr Bedarf als Plätze==
==Mehr Bedarf als Plätze==
1965 kommen in Bayern auf 100 Kinder zwischen drei und sechs Jahren 32 Kindergartenplätze. Für 68  von 100 Kindern gibt es also keinen Platz in einem Kindergarten. Das hat sich seit 1950 praktisch nicht verändert.<ref>Kuller, Christiane: „Stiefkind der Gesellschaft" oder „Trägerin der Erneuerung"? Familien und Familienpolitik in Bayern 1945 bis 1974, in: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans: Gesellschaft im Wandel 1949 bis 1973. Bayern im Bund Bd. 2, München 2002, S. 308.</ref> Immer mehr Frauen möchten arbeiten gehen. Sie wünschen sich deshalb eine Ganztagsbetreuung für ihre Kinder. Politisch ist das nicht gewollt. Es gilt: Mütter gehören nach Hause zu ihrer Familie. Deshalb wird das wenige Geld, dass der öffentlichen Hand in Bayern zur Verfügung steht, lieber für andere Dinge ausgegeben.<ref>Vgl. Kuller: Stiefkind der Gesellschaft, S. 311.</ref>
1965 kommen in Bayern auf 100 Kinder zwischen drei und sechs Jahren 32 Kindergartenplätze. Für 68  von 100 Kindern gibt es also keinen Platz in einem Kindergarten. Das hat sich zu diesem Zeitpunkt seit 1950 praktisch nicht verändert.<ref>Kuller, Christiane: „Stiefkind der Gesellschaft" oder „Trägerin der Erneuerung"? Familien und Familienpolitik in Bayern 1945 bis 1974, in: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans: Gesellschaft im Wandel 1949 bis 1973. Bayern im Bund Bd. 2, München 2002, S. 308.</ref> Immer mehr Frauen möchten arbeiten gehen und wünschen sich deshalb eine Ganztagsbetreuung für ihre Kinder. Politisch ist das nicht gewollt. Es gilt: Mütter gehören nach Hause zu ihrer Familie. Deshalb wird das wenige Geld, dass der öffentlichen Hand in Bayern zur Verfügung steht, lieber für andere Dinge ausgegeben.<ref>Vgl. Kuller: Stiefkind der Gesellschaft, S. 311.</ref>


In dem kleinen Ort Inningen bei Augsburg wollen sich die Menschen damit nicht zufriedengeben. Im Februar 1966 gründen sie den ''Kindergarten-Bauverein''. Die zehn Mitglieder wollen erreichen, dass Inningen einen eigenen Kindergarten bekommt. Der Vereinsname ist Programm: Es soll ein Neubau werden. Zwei Jahre später gibt es einen Teilerfolg: In der Volksschule wird ein Kindergarten eingerichtet.<ref>Vgl. O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten, Augsburg, in: DPWV-Nachrichten (1982) Heft 5, S. 58.</ref> In den nächsten Jahren wird Geld gesammelt. Das Ziel bleibt: Ein neues Gebäude für den Kindergarten. Es wird bis 1982 dauern, bis Inningen einen eigenen Kindergarten-Neubau bekommt.<ref>Vgl. O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten.</ref> Auch in anderen Orten gründen kleine Vereine jetzt neue Kindergärten. Besonders auf dem Land ist das wichtig.<ref>Vgl. O. A.: Vorschulkindergarten Samerberg, in: DPWV-Nachrichten (1974) Heft 8, S. 106.</ref><center><gallery mode="slideshow" style="max-width:700px">
In dem kleinen Ort Inningen bei Augsburg wollen sich die Menschen damit nicht zufriedengeben. Im Februar 1966 gründen sie den ''Kindergarten-Bauverein''. Die zehn Mitglieder wollen erreichen, dass Inningen einen eigenen Kindergarten bekommt. Zwei Jahre später gibt es einen Teilerfolg: In der Volksschule wird ein Kindergarten eingerichtet.<ref>Vgl. O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten, Augsburg, in: DPWV-Nachrichten (1982) Heft 5, S. 58.</ref> In den nächsten Jahren wird Geld gesammelt. Das Ziel: Ein neues Gebäude für den Kindergarten. Es wird allerdings bis 1982 dauern, bis Inningen einen eigenen Kindergarten-Neubau bekommt.<ref>Vgl. O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten.</ref> Auch in anderen Orten gründen kleine Vereine jetzt neue Kindergärten. Besonders auf dem Land ist das wichtig.<ref>Vgl. O. A.: Vorschulkindergarten Samerberg, in: DPWV-Nachrichten (1974) Heft 8, S. 106.</ref><center><gallery mode="slideshow" style="max-width:800px">
Datei:1976 Inningen.jpg|Um genug Geld für das neue Gebäude zu sammeln, veranstaltet der ''Kindergarten-Bauverein'' in Inningen ein dreitägiges Kindergartenfest. Der Paritätische in Bayern berichtet stolz darüber – in der bundesweiten Zeitung des Paritätischen Gesamtverbands.
Datei:1976 Inningen.jpg|Um genug Geld für das neue Gebäude zu sammeln, veranstaltet der ''Kindergarten-Bauverein'' in Inningen ein dreitägiges Kindergartenfest. Der Paritätische in Bayern berichtet stolz darüber – in der bundesweiten Zeitung des Paritätischen Gesamtverbands.
Datei:1978 Inningen.jpg|Auch in den folgenden Jahren finden Kindergartenfeste in Inningen statt. Auf dem Festplatz gibt es unter anderem ein Bierzelt, Autoscooter und eine Kindereisenbahn. Es finden Spiele wie Tauziehen, Sackhüpfen und Wurstschnappen statt – und dieses Autorennen.
Datei:1978 Inningen.jpg|Auch in den folgenden Jahren finden Kindergartenfeste in Inningen statt. Auf dem Festplatz gibt es unter anderem ein Bierzelt, Autoscooter und eine Kindereisenbahn. Es finden Spiele wie Tauziehen, Sackhüpfen und Wurstschnappen statt – und dieses Autorennen.
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==Eltern nehmen es selbst in die Hand==
==Eltern nehmen es selbst in die Hand==
[[Datei:1974 DPWV-Nachrichten.jpg|360px|mini|rechts|<center>Der Verein ''Regensburger Eltern'' wird Anfang der 1970er Jahre gegründet. Der Paritätische Gesamtverband zeigt die bayerische Mitgliedsorganisation 1974 stolz auf dem Cover seines bundesweiten Magazins, den ''DPWV-Nachrichten''.</center>]]
[[Datei:1974 DPWV-Nachrichten.jpg|360px|mini|rechts|<center>Der Verein ''Regensburger Eltern'' wird Anfang der 1970er Jahre gegründet. Der Paritätische Gesamtverband zeigt die bayerische Mitgliedsorganisation 1974 stolz auf dem Cover seines bundesweiten Magazins, den ''DPWV-Nachrichten''.</center>]]
Es gibt in Bayern nicht nur zu wenig Kindergärten. Die Richtlinien, nach denen sie aufgebaut sind, sind veraltet: Sie stammen aus dem Jahr 1910. Sie besagen zum Beispiel: Eine einzige Kindergärtnerin kann bis zu 60 Kinder alleine beaufsichtigen. Maximal dürfen es 80 sein. – Bei so vielen Kindern kann von einer Betreuung jedes Einzelnen kaum die Rede sein. Ab Juni 1966 gibt es endlich eine neue Richtlinie. Jetzt dürfen nur noch bis zu 35 Kinder zu einer Kindergartengruppe gehören. Aber: Fast die Hälfte der Kindergärten in Bayern schafft es nicht, sich an die neuen Regeln anzupassen. Sie müssten mehr Erzieher*innen einstellen, um die Kindergruppen zu verkleinern. Dazu fehlt ihnen das Geld. Es würde ihnen wahrscheinlich aber ohnehin nicht helfen: In Bayern herrscht Fachkräftemangel. Es fehlen 2.900 Erziehungskräfte.<ref>Vgl. Kuller: Stiefkind der Gesellschaft, S. 330 f.</ref>
Es gibt in Bayern nicht nur zu wenig Kindergärten. Die Richtlinien, die den Kindergartenalltag bestimmen, stammen aus dem Jahr 1910. Sie sind veraltet und besagen zum Beispiel: Eine einzige Kindergärtnerin kann bis zu 60 Kinder alleine beaufsichtigen. Maximal dürfen 80 Kinder in einer Gruppe sein. – Bei so vielen Kindern kann von einer Betreuung jedes Einzelnen kaum die Rede sein. Ab Juni 1966 gibt es dann endlich eine neue Richtlinie. Jetzt dürfen nur noch bis zu 35 Kinder zu einer Kindergartengruppe gehören. Aber: Fast die Hälfte der Kindergärten in Bayern schafft es nicht, die neuen Regeln umzusetzen. Sie müssten mehr Erzieher*innen einstellen, um die Kindergruppen zu verkleinern. Dazu fehlt ihnen das Geld. Es würde ihnen wahrscheinlich aber ohnehin nicht helfen: In Bayern herrscht Fachkräftemangel. Es fehlen 2.900 Erziehungskräfte.<ref>Vgl. Kuller: Stiefkind der Gesellschaft, S. 330 f.</ref>


Viele Eltern sind mit der Situation unzufrieden. Sie wollen, dass sich die Betreuung und Erziehung von Kindern grundsätzlich ändert. Im Zuge der sogenannten 68er-Bewegung entstehen neue Ideen davon, wie man das Zusammenleben gestalten sollte. Viele wünschen sich eine Gemeinschaft, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen – auch Kindern. Dass gerade für die Erziehung und Betreuung von Kindern jetzt neue Konzepte entstehen, hängt auch mit der [[Schutzräume statt Vanillepudding: Die Neue Frauenbewegung im Paritätischen in Bayern|Neuen Frauenbewegung]] zusammen: Viele Frauen wollen nicht mehr in die Rolle der Mutter gedrängt werden. Sie fordern, mehr Möglichkeiten im Leben zu bekommen. Dafür ist es nötig, dass Haushalt und Kinderbetreuung nicht allein an ihnen hängenbleiben.<ref>Vgl. Zellmer, Elisabeth: Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München, München 2011, S. 68 f.</ref> In ganz Bayern schließen sich bald Eltern zu Initiativen zusammen, um die Betreuung ihrer Kinder neu zu organisieren. Wie viele andere [[Eine wechselvolle Geschichte: Selbsthilfe im Paritätischen in Bayern|Selbsthilfebewegungen]] finden auch diese Elterninitiativen den Weg zum Paritätischen in Bayern.
Viele Eltern sind mit der Situation unzufrieden. Sie wollen, dass sich die Betreuung und Erziehung von Kindern grundsätzlich ändert. Im Zuge der sogenannten 68er-Bewegung entstehen neue Ideen davon, wie man das Zusammenleben gestalten sollte. Viele wünschen sich eine Gemeinschaft, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen – auch den Kindern. Dass für die Erziehung und Betreuung von Kindern jetzt neue Konzepte entstehen, hängt auch mit der [[Schutzräume statt Vanillepudding: Die Neue Frauenbewegung im Paritätischen in Bayern|Neuen Frauenbewegung]] zusammen: Viele Frauen wollen nicht mehr in die Rolle der Mutter gedrängt werden. Sie fordern, mehr Möglichkeiten im Leben zu bekommen. Dafür ist es nötig, dass Haushalt und Kinderbetreuung nicht allein an ihnen hängenbleiben.<ref>Vgl. Zellmer, Elisabeth: Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München, München 2011, S. 68 f.</ref> In ganz Bayern schließen sich bald Eltern zu Initiativen zusammen, um die Betreuung ihrer Kinder neu zu organisieren. Wie viele andere [[Eine wechselvolle Geschichte: Selbsthilfe im Paritätischen in Bayern|Selbsthilfebewegungen]] finden auch diese Elterninitiativen den Weg zum Paritätischen in Bayern.


==Ein Haus für Kinder==
==Ein Haus für Kinder==
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„Unser Kinderhaus soll nicht in erster Linie eine Aufbewahrungsstätte sein. Die Eltern sollen von der Angst befreit werden, das Kind aufgrund ihrer Berufstätigkeit zu vernachlässigen“, heißt es im Konzept der Einrichtung.<ref>Arbeitsgruppe Elternarbeit: Elterninitiativen, S. 17.</ref> Die Eltern sind im ''Kinderhaus München'' vor allem alleinerziehende Mütter.<ref>Vgl. Marbach, Jan/Mayr-Kleffel, Verena/Tüllmann, Greta: Elterninitiativen im Bereich der Kindererziehung. Dokumentation der Bundes-Initiativ-Tagung 1980, Frankfurt am Main 1981, S. 36.</ref> Das ist eine Besonderheit. Vielen Elterninitiativen wird vorgeworfen, „eine elitäre Mittelschichteinrichtung“ zu sein.<ref>Ebd.</ref> Zur Idee der Elterninitiativen gehört auch, dass die Eltern bei der Betreuung der Kinder mithelfen. Dafür muss man es sich leisten können, Zeit für unbezahlte Arbeit zu opfern. Auch die wöchentlich stattfindenden Elternabende kosten Zeit. Hier tauschen sich die Erzieher*innen mit den Eltern aus.<ref>Vgl. Arbeitsgruppe Elternarbeit: Elterninitiativen, S. 45 f.</ref>
„Unser Kinderhaus soll nicht in erster Linie eine Aufbewahrungsstätte sein. Die Eltern sollen von der Angst befreit werden, das Kind aufgrund ihrer Berufstätigkeit zu vernachlässigen“, heißt es im Konzept der Einrichtung.<ref>Arbeitsgruppe Elternarbeit: Elterninitiativen, S. 17.</ref> Die Eltern sind im ''Kinderhaus München'' vor allem alleinerziehende Mütter.<ref>Vgl. Marbach, Jan/Mayr-Kleffel, Verena/Tüllmann, Greta: Elterninitiativen im Bereich der Kindererziehung. Dokumentation der Bundes-Initiativ-Tagung 1980, Frankfurt am Main 1981, S. 36.</ref> Das ist eine Besonderheit. Vielen Elterninitiativen wird vorgeworfen, „eine elitäre Mittelschichteinrichtung“ zu sein.<ref>Ebd.</ref> Zur Idee der Elterninitiativen gehört auch, dass die Eltern bei der Betreuung der Kinder mithelfen. Dafür muss man es sich leisten können, Zeit für unbezahlte Arbeit zu opfern. Auch die wöchentlich stattfindenden Elternabende kosten Zeit. Hier tauschen sich die Erzieher*innen mit den Eltern aus.<ref>Vgl. Arbeitsgruppe Elternarbeit: Elterninitiativen, S. 45 f.</ref>


<br>[[Datei:Kinderhaus München.jpg|gerahmt|zentriert|<center>Um Werbung für das Projekt zu machen, veröffentlicht das ''Kinderhaus München'' in unregelmäßigen Abständen eine Zeitung. Sie enthält Berichte wie diesen: „Ein ganz normaler Tag im Kinderhaus“ 1978. Er zeigt: Die Kinder haben hier sehr viele Freiheiten.</center>]]<br>
<br>[[Datei:Kinderhaus München.jpg|mini|800px|zentriert|<center>Um Werbung für das Projekt zu machen, veröffentlicht das ''Kinderhaus München'' in unregelmäßigen Abständen eine Zeitung. Sie enthält Berichte wie diesen: „Ein ganz normaler Tag im Kinderhaus“ 1978. Er zeigt: Die Kinder haben hier sehr viele Freiheiten.</center>]]<br>


==Kritik und politische Forderungen==
==Neue Konzepte und Kritik==


Der Paritätische in Bayern unterstützt neue Formen der Betreuung und Erziehung von Kindern. Dazu gehört auch die Idee des Kinderarztes Theodor Hellbrügge . Der arbeitet nach dem Ansatz der sogenannten Montessori-Pädagogik. Viele neue Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern orientieren sich an den Ideen von Maria Montessori oder der Waldorf-Pädagogik von Rudolf Steiner. Diese beiden Konzepte – und besonders ihre Begründungspersonen – werden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in die Kritik geraten. Dabei geht es häufig nicht darum, was in den Einrichtungen passiert. Denn: „Zum Glück sind viele Montessori-Häuser, -Kindergärten, -Schulen, nicht Stätten einer reinen, puren Montessori-Pädagogik. [...] Da wird unter dem Namen Montessori eine ganz eigene und dann wirklich zuwendende, kinderfreundliche Pädagogik gemacht, die mit den [rassistischen] Fantasien von Maria Montessori nicht viel zu tun hat. [...] In den Waldorf-Kindergärten wird auch kein Rassismus betrieben, obwohl die Theorie von Steiner rassistisch ist. [...] Die Praxis ist anders“, wird ein Wissenschaftler später erklären.<ref>Tenorth, Heinz-Elmar im Interview mit Deutschlandfunk Kultur, 23.1.2024, in: https://www.deutschlandfunkkultur.de/maria-montessori-ist-die-kritik-an-den-grundlagen-ihrer-paedagogik-berechtigt-dlf-kultur-d72dc4b2-100.html (aufgerufen: 3.5.2024).</ref>
Der Paritätische in Bayern unterstützt neue Formen der Betreuung und Erziehung von Kindern. Dazu gehört auch die Idee des Kinderarztes [[Ein besonderer Kinderarzt: Theodor Hellbrügge|Theodor Hellbrügge]]. Der arbeitet nach dem Ansatz der sogenannten Montessori-Pädagogik. Viele neue Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern orientieren sich an den Ideen von Maria Montessori oder der Waldorf-Pädagogik von Rudolf Steiner. Diese beiden Konzepte – und besonders ihre Begründungspersonen – werden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in die Kritik geraten. Dabei geht es häufig nicht darum, was in den Einrichtungen passiert. Denn: „Zum Glück sind viele Montessori-Häuser, -Kindergärten, -Schulen, nicht Stätten einer reinen, puren Montessori-Pädagogik. [...] Da wird unter dem Namen Montessori eine ganz eigene und dann wirklich zuwendende, kinderfreundliche Pädagogik gemacht, die mit den [rassistischen] Fantasien von Maria Montessori nicht viel zu tun hat. [...] In den Waldorf-Kindergärten wird auch kein Rassismus betrieben, obwohl die Theorie von Steiner rassistisch ist. [...] Die Praxis ist anders“, wird ein Wissenschaftler später erklären.<ref>Tenorth, Heinz-Elmar im Interview mit Deutschlandfunk Kultur, 23.1.2024, in: https://www.deutschlandfunkkultur.de/maria-montessori-ist-die-kritik-an-den-grundlagen-ihrer-paedagogik-berechtigt-dlf-kultur-d72dc4b2-100.html (aufgerufen: 3.5.2024).</ref>


In den 1980er Jahren helfen immer weniger Eltern in den Kindergärten mit. Viele sind mit Arbeit und Alltagsstress ausgelastet. Die Betreuung von Kindern wird wieder stärker zur Aufgabe professioneller Erzieher*innen.<ref>Cramer, Hanna: Kindergärten – Mitgliedsorganisationen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Landesverband Bayern (DPWV), in: in: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg): 150 Jahre Kindergartenwesen in Bayern. Festschrift anlässlich der 150-Jahrfeier der von König Ludwig I. genehmigten „Bestimmungen, die die Einrichtung von Kinderbewahranstalten betreffen“, München 1989, S. 150.</ref> Die Elterninitiativen, die jetzt gegründet werden, entstehen aus der Not heraus: Es gibt immer noch zu wenig Kindergartenplätze. In München hilft der ''Kleinkindertagesstätten-Verein'' den neuen Elterninitiativen bei der Organisation und Verwaltung ihrer Arbeit. Auch er ist Mitglied im Paritätischen in Bayern.<ref>Vgl. Köster, Magdalena: Immer häufiger ersetzen private Initiativen die öffentlichen Einrichtungen. Eltern schufen Alternative für die „Kleinen Strolche“, in: parität aktuell (1987) Nr. 3, o. S.</ref>
==Politische Forderungen==


<br>[[Datei:1987 Kinderladen.jpg|400px|gerahmt|zentriert|<center>''Die kleinen Strolche'' ist eine der Kindergruppen, die vom ''Kleinkindertagesstätten-Verein'' unterstützt werden. Weil die Elterninitiative keinen anderen Raum gefunden hat, spielen die Kinder jetzt in einem alten Ladengeschäft. Der Paritätische in Bayern beschreibt das Problem 1987 in der bundesweiten Verbandszeitung ''parität aktuell''.</center>]]<br>
In den 1980er Jahren helfen immer weniger Eltern in den Kindergärten mit. Viele sind mit Arbeit und Alltagsstress ausgelastet. Die Betreuung von Kindern wird stärker zur Aufgabe professioneller Erzieher*innen.<ref>Cramer, Hanna: Kindergärten – Mitgliedsorganisationen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Landesverband Bayern (DPWV), in: in: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg): 150 Jahre Kindergartenwesen in Bayern. Festschrift anlässlich der 150-Jahrfeier der von König Ludwig I. genehmigten „Bestimmungen, die die Einrichtung von Kinderbewahranstalten betreffen“, München 1989, S. 150.</ref> Die Elterninitiativen, die jetzt gegründet werden, entstehen aus der Not heraus: Es gibt immer noch zu wenig Kindergartenplätze. In München hilft der ''Kleinkindertagesstätten-Verein'' den neuen Elterninitiativen bei der Organisation und Verwaltung ihrer Arbeit. Auch er ist in den 1980er Jahren Mitglied im Paritätischen in Bayern.<ref>Vgl. Köster, Magdalena: Immer häufiger ersetzen private Initiativen die öffentlichen Einrichtungen. Eltern schufen Alternative für die „Kleinen Strolche“, in: parität aktuell (1987) Nr. 3, o. S.</ref>


1989 betreiben die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern zusammen 105 Kindergärten.<ref>Cramer: Kindergärten, S. 145.</ref> Der Verband stellt politische Forderungen, um ihnen zu helfen. Dabei stehen die Rechte von Frauen im Mittelpunkt. Denn: Es sind die Mütter, die einspringen müssen, wenn ihre Kinder keinen Kindergartenplatz bekommen.<ref>Gerzer, Annemarie: „Mütter haben schon immer gearbeitet“, in: parität aktuell (1989) Nr. 2, o. S.</ref> In den Kindergärten arbeiten außerdem vor allem Erzieherinnen. Die brauchen bessere Arbeitsbedingungen.<ref>Vgl. O. A.: Anreize schaffen, in: nachrichten parität (1990) Heft 5, S. 67.</ref> 1991 fließen die Forderungen des Paritätischen in Bayern in ein Positionspapier ein, das die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Bayern veröffentlicht.<ref>Vgl. O. A.: Die Spitzenverbände fordern mehr Vielfalt in der Kinderbetreuung, in: parität aktuell (1991) Nr. 4, o. S.</ref> Der Paritätische in Bayern betreibt immer mehr eigene Kindergärten und -tagesstätten. Es sind Menschen wie [[Ekkehard Doll]] und [[Betty Geiling]], die dafür sorgen, dass vor Ort in den Bezirksverbänden Lösungen zur Kinderbetreuung gefunden werden.
<br>[[Datei:1987 Kinderladen.jpg|800px|mini|zentriert|<center>''Die kleinen Strolche'' ist eine der Kindergruppen, die vom ''Kleinkindertagesstätten-Verein'' unterstützt werden. Weil die Elterninitiative keinen anderen Raum gefunden hat, spielen die Kinder jetzt in einem alten Ladengeschäft. Der Paritätische in Bayern beschreibt das Problem 1987 in der bundesweiten Verbandszeitung ''parität aktuell''.</center>]]<br>
 
1989 betreiben die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern zusammen 105 Kindergärten.<ref>Cramer: Kindergärten, S. 145.</ref> Der Verband stellt politische Forderungen, um ihnen zu helfen. Dabei stehen die Rechte von Frauen im Mittelpunkt. Denn: Es sind die Mütter, die einspringen müssen, wenn ihre Kinder keinen Kindergartenplatz bekommen.<ref>Gerzer, Annemarie: „Mütter haben schon immer gearbeitet“, in: parität aktuell (1989) Nr. 2, o. S.</ref> In den Kindergärten arbeiten außerdem vor allem Erzieherinnen. Die brauchen bessere Arbeitsbedingungen.<ref>Vgl. O. A.: Anreize schaffen, in: nachrichten parität (1990) Heft 5, S. 67.</ref> 1991 fließen die Forderungen des Paritätischen in Bayern in ein Positionspapier ein, das die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Bayern veröffentlicht.<ref>Vgl. O. A.: Die Spitzenverbände fordern mehr Vielfalt in der Kinderbetreuung, in: parität aktuell (1991) Nr. 4, o. S.</ref> Der Paritätische in Bayern betreibt immer mehr eigene Kindergärten und -tagesstätten. Es sind Menschen wie [[Die „kleine Frau mit dem gewaltig großen Herzen“: Betty Geiling|Betty Geiling]] und [[Humorvoll und kreativ im Einsatz für Mittelfranken: Ekkehard Doll|Ekkehard Doll]], die dafür sorgen, dass vor Ort in den Bezirksverbänden Lösungen zur Kinderbetreuung gefunden werden.


==Quellen und Literatur==
==Quellen und Literatur==
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*O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten, Augsburg, in: DPWV-Nachrichten (1982) Heft 5, S. 58.
*O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten, Augsburg, in: DPWV-Nachrichten (1982) Heft 5, S. 58.
*O. A.: Vorschulkindergarten Samerberg, in: DPWV-Nachrichten (1974) Heft 8, S. 106.
*O. A.: Vorschulkindergarten Samerberg, in: DPWV-Nachrichten (1974) Heft 8, S. 106.
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'''Literatur:'''
'''Literatur:'''
*Kuller, Christiane: „Stiefkind der Gesellschaft" oder „Trägerin der Erneuerung"? Familien und Familienpolitik in Bayern 1945 bis 1974, in: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans: Gesellschaft im Wandel 1949 bis 1973. Bayern im Bund Bd. 2, München 2002, S. 269-346.
*Kuller, Christiane: „Stiefkind der Gesellschaft" oder „Trägerin der Erneuerung"? Familien und Familienpolitik in Bayern 1945 bis 1974, in: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans: Gesellschaft im Wandel 1949 bis 1973. Bayern im Bund Bd. 2, München 2002, S. 269-346.
*Tenorth, Heinz-Elmar im Interview mit Deutschlandfunk Kultur, 23.1.2024, in: https://www.deutschlandfunkkultur.de/maria-montessori-ist-die-kritik-an-den-grundlagen-ihrer-paedagogik-berechtigt-dlf-kultur-d72dc4b2-100.html (aufgerufen: 3.5.2024).
*Tenorth, Heinz-Elmar im Interview mit Deutschlandfunk Kultur, 23.1.2024, in: https://www.deutschlandfunkkultur.de/maria-montessori-ist-die-kritik-an-den-grundlagen-ihrer-paedagogik-berechtigt-dlf-kultur-d72dc4b2-100.html (aufgerufen: 3.5.2024).
*Zellmer, Elisabeth: Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München, München 2011.
*Zellmer, Elisabeth: Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München, München 2011.
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==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==

Aktuelle Version vom 15. Oktober 2024, 21:53 Uhr

Weil es in Bayern viel zu wenig Kindergärten gibt, ergreifen Eltern die Initiative: Sie gründen eigene Projekte mit besonderen Konzepten, um ihre Kinder auf neue Art zu erziehen und zu betreuen. Der Paritätische in Bayern unterstützt ihre Ideen und Forderungen. Das bringt frischen Wind in die Kinderbetreuung.

Mehr Bedarf als Plätze

1965 kommen in Bayern auf 100 Kinder zwischen drei und sechs Jahren 32 Kindergartenplätze. Für 68 von 100 Kindern gibt es also keinen Platz in einem Kindergarten. Das hat sich zu diesem Zeitpunkt seit 1950 praktisch nicht verändert.[1] Immer mehr Frauen möchten arbeiten gehen und wünschen sich deshalb eine Ganztagsbetreuung für ihre Kinder. Politisch ist das nicht gewollt. Es gilt: Mütter gehören nach Hause zu ihrer Familie. Deshalb wird das wenige Geld, dass der öffentlichen Hand in Bayern zur Verfügung steht, lieber für andere Dinge ausgegeben.[2]

In dem kleinen Ort Inningen bei Augsburg wollen sich die Menschen damit nicht zufriedengeben. Im Februar 1966 gründen sie den Kindergarten-Bauverein. Die zehn Mitglieder wollen erreichen, dass Inningen einen eigenen Kindergarten bekommt. Zwei Jahre später gibt es einen Teilerfolg: In der Volksschule wird ein Kindergarten eingerichtet.[3] In den nächsten Jahren wird Geld gesammelt. Das Ziel: Ein neues Gebäude für den Kindergarten. Es wird allerdings bis 1982 dauern, bis Inningen einen eigenen Kindergarten-Neubau bekommt.[4] Auch in anderen Orten gründen kleine Vereine jetzt neue Kindergärten. Besonders auf dem Land ist das wichtig.[5]

Eltern nehmen es selbst in die Hand

Der Verein Regensburger Eltern wird Anfang der 1970er Jahre gegründet. Der Paritätische Gesamtverband zeigt die bayerische Mitgliedsorganisation 1974 stolz auf dem Cover seines bundesweiten Magazins, den DPWV-Nachrichten.

Es gibt in Bayern nicht nur zu wenig Kindergärten. Die Richtlinien, die den Kindergartenalltag bestimmen, stammen aus dem Jahr 1910. Sie sind veraltet und besagen zum Beispiel: Eine einzige Kindergärtnerin kann bis zu 60 Kinder alleine beaufsichtigen. Maximal dürfen 80 Kinder in einer Gruppe sein. – Bei so vielen Kindern kann von einer Betreuung jedes Einzelnen kaum die Rede sein. Ab Juni 1966 gibt es dann endlich eine neue Richtlinie. Jetzt dürfen nur noch bis zu 35 Kinder zu einer Kindergartengruppe gehören. Aber: Fast die Hälfte der Kindergärten in Bayern schafft es nicht, die neuen Regeln umzusetzen. Sie müssten mehr Erzieher*innen einstellen, um die Kindergruppen zu verkleinern. Dazu fehlt ihnen das Geld. Es würde ihnen wahrscheinlich aber ohnehin nicht helfen: In Bayern herrscht Fachkräftemangel. Es fehlen 2.900 Erziehungskräfte.[6]

Viele Eltern sind mit der Situation unzufrieden. Sie wollen, dass sich die Betreuung und Erziehung von Kindern grundsätzlich ändert. Im Zuge der sogenannten 68er-Bewegung entstehen neue Ideen davon, wie man das Zusammenleben gestalten sollte. Viele wünschen sich eine Gemeinschaft, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen – auch den Kindern. Dass für die Erziehung und Betreuung von Kindern jetzt neue Konzepte entstehen, hängt auch mit der Neuen Frauenbewegung zusammen: Viele Frauen wollen nicht mehr in die Rolle der Mutter gedrängt werden. Sie fordern, mehr Möglichkeiten im Leben zu bekommen. Dafür ist es nötig, dass Haushalt und Kinderbetreuung nicht allein an ihnen hängenbleiben.[7] In ganz Bayern schließen sich bald Eltern zu Initiativen zusammen, um die Betreuung ihrer Kinder neu zu organisieren. Wie viele andere Selbsthilfebewegungen finden auch diese Elterninitiativen den Weg zum Paritätischen in Bayern.

Ein Haus für Kinder

Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) möchte die Elterninitiativen erforschen. So entsteht 1976 das Kinderhaus München: Eltern entwickeln das Konzept gemeinsam mit Mitarbeiterinnen des DJI. Die Forschungseinrichtung begleitet das Kinderhaus München von Anfang an und dokumentiert seine Entwicklung.[8]

„Unser Kinderhaus soll nicht in erster Linie eine Aufbewahrungsstätte sein. Die Eltern sollen von der Angst befreit werden, das Kind aufgrund ihrer Berufstätigkeit zu vernachlässigen“, heißt es im Konzept der Einrichtung.[9] Die Eltern sind im Kinderhaus München vor allem alleinerziehende Mütter.[10] Das ist eine Besonderheit. Vielen Elterninitiativen wird vorgeworfen, „eine elitäre Mittelschichteinrichtung“ zu sein.[11] Zur Idee der Elterninitiativen gehört auch, dass die Eltern bei der Betreuung der Kinder mithelfen. Dafür muss man es sich leisten können, Zeit für unbezahlte Arbeit zu opfern. Auch die wöchentlich stattfindenden Elternabende kosten Zeit. Hier tauschen sich die Erzieher*innen mit den Eltern aus.[12]


Um Werbung für das Projekt zu machen, veröffentlicht das Kinderhaus München in unregelmäßigen Abständen eine Zeitung. Sie enthält Berichte wie diesen: „Ein ganz normaler Tag im Kinderhaus“ 1978. Er zeigt: Die Kinder haben hier sehr viele Freiheiten.


Neue Konzepte und Kritik

Der Paritätische in Bayern unterstützt neue Formen der Betreuung und Erziehung von Kindern. Dazu gehört auch die Idee des Kinderarztes Theodor Hellbrügge. Der arbeitet nach dem Ansatz der sogenannten Montessori-Pädagogik. Viele neue Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern orientieren sich an den Ideen von Maria Montessori oder der Waldorf-Pädagogik von Rudolf Steiner. Diese beiden Konzepte – und besonders ihre Begründungspersonen – werden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in die Kritik geraten. Dabei geht es häufig nicht darum, was in den Einrichtungen passiert. Denn: „Zum Glück sind viele Montessori-Häuser, -Kindergärten, -Schulen, nicht Stätten einer reinen, puren Montessori-Pädagogik. [...] Da wird unter dem Namen Montessori eine ganz eigene und dann wirklich zuwendende, kinderfreundliche Pädagogik gemacht, die mit den [rassistischen] Fantasien von Maria Montessori nicht viel zu tun hat. [...] In den Waldorf-Kindergärten wird auch kein Rassismus betrieben, obwohl die Theorie von Steiner rassistisch ist. [...] Die Praxis ist anders“, wird ein Wissenschaftler später erklären.[13]

Politische Forderungen

In den 1980er Jahren helfen immer weniger Eltern in den Kindergärten mit. Viele sind mit Arbeit und Alltagsstress ausgelastet. Die Betreuung von Kindern wird stärker zur Aufgabe professioneller Erzieher*innen.[14] Die Elterninitiativen, die jetzt gegründet werden, entstehen aus der Not heraus: Es gibt immer noch zu wenig Kindergartenplätze. In München hilft der Kleinkindertagesstätten-Verein den neuen Elterninitiativen bei der Organisation und Verwaltung ihrer Arbeit. Auch er ist in den 1980er Jahren Mitglied im Paritätischen in Bayern.[15]


Die kleinen Strolche ist eine der Kindergruppen, die vom Kleinkindertagesstätten-Verein unterstützt werden. Weil die Elterninitiative keinen anderen Raum gefunden hat, spielen die Kinder jetzt in einem alten Ladengeschäft. Der Paritätische in Bayern beschreibt das Problem 1987 in der bundesweiten Verbandszeitung parität aktuell.


1989 betreiben die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Bayern zusammen 105 Kindergärten.[16] Der Verband stellt politische Forderungen, um ihnen zu helfen. Dabei stehen die Rechte von Frauen im Mittelpunkt. Denn: Es sind die Mütter, die einspringen müssen, wenn ihre Kinder keinen Kindergartenplatz bekommen.[17] In den Kindergärten arbeiten außerdem vor allem Erzieherinnen. Die brauchen bessere Arbeitsbedingungen.[18] 1991 fließen die Forderungen des Paritätischen in Bayern in ein Positionspapier ein, das die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Bayern veröffentlicht.[19] Der Paritätische in Bayern betreibt immer mehr eigene Kindergärten und -tagesstätten. Es sind Menschen wie Betty Geiling und Ekkehard Doll, die dafür sorgen, dass vor Ort in den Bezirksverbänden Lösungen zur Kinderbetreuung gefunden werden.

Quellen und Literatur

Quellen:

  • Arbeitsgruppe Elternarbeit (Hg.): Elterninitiativen, DJI Materialien für die Elternarbeit Bd. 6, München 1981.
  • Cramer, Hanna: Kindergärten – Mitgliedsorganisationen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Landesverband Bayern (DPWV), in: in: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg): 150 Jahre Kindergartenwesen in Bayern. Festschrift anlässlich der 150-Jahrfeier der von König Ludwig I. genehmigten „Bestimmungen, die die Einrichtung von Kinderbewahranstalten betreffen“, München 1989, S. 145-154.
  • Gerzer, Annemarie: „Mütter haben schon immer gearbeitet“, in: parität aktuell (1989) Nr. 2, o. S.
  • Köster, Magdalena: Immer häufiger ersetzen private Initiativen die öffentlichen Einrichtungen. Eltern schufen Alternative für die „Kleinen Strolche“, in: parität aktuell (1987) Nr. 3, o. S.
  • Marbach, Jan/Mayr-Kleffel, Verena/Tüllmann, Greta: Elterninitiativen im Bereich der Kindererziehung. Dokumentation der Bundes-Initiativ-Tagung 1980, Frankfurt am Main 1981.
  • O. A.: Anreize schaffen, in: nachrichten parität (1990) Heft 5, S. 67.
  • O. A.: Die Spitzenverbände fordern mehr Vielfalt in der Kinderbetreuung, in: parität aktuell (1991) Nr. 4, o. S.
  • O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten, Augsburg, in: DPWV-Nachrichten (1982) Heft 5, S. 58.
  • O. A.: Vorschulkindergarten Samerberg, in: DPWV-Nachrichten (1974) Heft 8, S. 106.

Literatur:

Einzelnachweise

  1. Kuller, Christiane: „Stiefkind der Gesellschaft" oder „Trägerin der Erneuerung"? Familien und Familienpolitik in Bayern 1945 bis 1974, in: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans: Gesellschaft im Wandel 1949 bis 1973. Bayern im Bund Bd. 2, München 2002, S. 308.
  2. Vgl. Kuller: Stiefkind der Gesellschaft, S. 311.
  3. Vgl. O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten, Augsburg, in: DPWV-Nachrichten (1982) Heft 5, S. 58.
  4. Vgl. O. A.: Theodor-Sachs-Kindergarten.
  5. Vgl. O. A.: Vorschulkindergarten Samerberg, in: DPWV-Nachrichten (1974) Heft 8, S. 106.
  6. Vgl. Kuller: Stiefkind der Gesellschaft, S. 330 f.
  7. Vgl. Zellmer, Elisabeth: Töchter der Revolte? Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München, München 2011, S. 68 f.
  8. Vgl. Arbeitsgruppe Elternarbeit (Hg.): Elterninitiativen, DJI Materialien für die Elternarbeit, Bd. 6, München 1981, S. 16.
  9. Arbeitsgruppe Elternarbeit: Elterninitiativen, S. 17.
  10. Vgl. Marbach, Jan/Mayr-Kleffel, Verena/Tüllmann, Greta: Elterninitiativen im Bereich der Kindererziehung. Dokumentation der Bundes-Initiativ-Tagung 1980, Frankfurt am Main 1981, S. 36.
  11. Ebd.
  12. Vgl. Arbeitsgruppe Elternarbeit: Elterninitiativen, S. 45 f.
  13. Tenorth, Heinz-Elmar im Interview mit Deutschlandfunk Kultur, 23.1.2024, in: https://www.deutschlandfunkkultur.de/maria-montessori-ist-die-kritik-an-den-grundlagen-ihrer-paedagogik-berechtigt-dlf-kultur-d72dc4b2-100.html (aufgerufen: 3.5.2024).
  14. Cramer, Hanna: Kindergärten – Mitgliedsorganisationen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Landesverband Bayern (DPWV), in: in: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hg): 150 Jahre Kindergartenwesen in Bayern. Festschrift anlässlich der 150-Jahrfeier der von König Ludwig I. genehmigten „Bestimmungen, die die Einrichtung von Kinderbewahranstalten betreffen“, München 1989, S. 150.
  15. Vgl. Köster, Magdalena: Immer häufiger ersetzen private Initiativen die öffentlichen Einrichtungen. Eltern schufen Alternative für die „Kleinen Strolche“, in: parität aktuell (1987) Nr. 3, o. S.
  16. Cramer: Kindergärten, S. 145.
  17. Gerzer, Annemarie: „Mütter haben schon immer gearbeitet“, in: parität aktuell (1989) Nr. 2, o. S.
  18. Vgl. O. A.: Anreize schaffen, in: nachrichten parität (1990) Heft 5, S. 67.
  19. Vgl. O. A.: Die Spitzenverbände fordern mehr Vielfalt in der Kinderbetreuung, in: parität aktuell (1991) Nr. 4, o. S.

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